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Kein Herz für Kinder

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Ganz bestimmt kennen Sie ihn auch, diesen schönen roten Auto-aufkleber mit dem innigen Herzen und der so ergreifenden Aufschrift „Ein Herz für Kinder".

Gesehen habe ich ihn schon oft, ich weiß bloß nicht, wo ich so einen aufklebbaren Ausweis der Kinderliebe bekommen kann. Ich möchte nämlich endlich auch ein „Herz für

Kinder" haben und dies meiner Mitwelt deutlich kundtun.

Am besten kaufe ich gleich zwei dieser Dinger und klebe mir eins vorne und eins hinten an den Wagen. Man kommt sich ja allmählich vor wie ein Kinderfeind ohne dieses weithin sichtbare Dokument der Liebe zu unserer Zukunft.

Denn das sind sie ja, all diese Kinder, deretwegen alle diese Klebeherzen die vielen Autoscheiben

und Kofferraumdeckel zieren. Bevor ich also in den üblen Verdacht gerate, keine Kinder zu mögen, pappe ich mir auch so einen roten Liebesbeweis ans Fahrzeug.Da habe ich zwar schon „NEIN zu Tierversuchen" kleben, aber für ein „Herz für Kinder" ist da allemal noch Platz. Und das eine schließt ja das andere nicht aus. Ich werde mal bei dem Zeitungskiosk am Hauptplatz nach dem Aufkleber fragen.

Am Zebrastreifen steht neben mir eine junge Mutter, die, ihr Töchterchen im Klappwagen, wie ich darauf wartet, daß in der Schlange der Autos endlich einmal eines ist, das einen verständnisvollen Fahrer beinhaltet, der uns die Überquerung der Straße gestattet.

Na endlich, eine Lücke. Wir haben die halbe Strecke geschafft, als ein Verrückter mit mörderischem Tempo angerast kommt und uns zu extrem beschleunigter Gangart zwingt. In spontaner Erregung will ich dem Kamikazef ahrer eine saf tige Botschaft nachrufen, da erstirbt mir der Flu... äh, der Gruß auf den Lippen. Denn am rasch kleiner werdenden Rückfenster des Rasers klebt unübersehbar das Herz mit der innigen Aufschrift.

Da hätte ich doch beinahe einem ausgewiesenen Kinderfreund eine Grobheit nachgerufen! Das wäre mir aber peinlich gewesen. Drüben am Kiosk erfahre ich, daß es die Aufkleber wahrscheinlich an der Lottoannahmestelle in dem Zigarrengeschäft etwas weiter die Marktstraße runter, gibt.

Auf dem Weg dorthin beobachte ich einen kleinen Jungen, der am Gehsteig, hinter einem darauf geparkten Lieferwagen, mit einem Kätzchen spielt. Dieses rührende Bild wird plötzlich durch eine blauschwarze Abgaswolke getrübt. Der Lieferwagenfahrer hat seinen alten Diesel angeworfen und wartet qualmend auf eine Gelegenheit, sich in den Verkehr einzufädeln. Das Kätzchen ist ins Haus geflüchtet. Der kleine Junge hustet in der blauen Wolke.

Empörend! Der Fahrer muß doch gesehen haben, daß hier ein Kind... na ja, sehr deutlich kann die Sicht nach hinten aus der Fahrerkabine nicht sein: drei dicke rote Aufkleber mit „Herzen für Kinder" verdecken ein bißchen den Blick. Der Fahrer wird es, da bin ich sicher, nicht böse gemeint haben. Ein Mann, der gleich drei dieser positiven Klebebotschaften am Auto hat...

Auf dem weiteren Weg zum Zigarrenladen treffe ich die junge Mutter von vorhin wieder, die ihren Kinderwagen auf der Straße in die selbe Richtung schiebt, in die ich auch strebe. Am Gehsteig wäre sie bestimmt besser aufgehoben, aber da stehen ein paar Schrägparker, die kaum Platz für einen Fußgänger lassen, ein Kinderwagen paßt da nicht mehr durch.

Interessant: auf zweien der vier kinderwagenblockierend geparkten Autos klebt, na, was wohl? Genau: das nun schon sattsam bekannte „Herz für Kinder".

Ich hab mir's überlegt: in den Zigarrenladen bin ich gar nicht mehr reingegangen. Rauchen tu ich eh nicht und so einen Aufkleber mag ich auf einmal gar nicht mehr haben. Statt dessen mach ich mir jetzt selber einen; einen schönen großen und bunten mit der Aufschrift „Ein Herz für Autos". Und den kleb ich dann auf unseren Kinderwagen.

Zu guter Letzt

„Ich kenne sie doch von irgendwo?" „Das kann schon sein, dor* bin ich oft!"

Richter: „Moment! Ihre heutige Aussage stimmt in keiner Weise mit Ihrer Aussage von gestern überein. Erklären Sie mir das bitte!"

„Ihr Mann sieht fabelhaft aus in dem neuen Anzug."

Das ist kein neuer Anzug, das ist ein neuer Mann!"

(Aus der WELTWOCHE)

Am Nachmittag:

„Hier ist der automatische Tele-fonbeantworter von Peter Oberhu-ber. Im Moment bin ich unterwegs. Bitte hinterlassen Sie Ihre Telefonnummer und Ihre Nachricht. Ich rufe Sie dann so bald als möglich zurück. Vielen Dank für Ihren Anruf."

„Hallo Peter, hier spricht Karl. Ich wollte Dich nur schnell etwas fragen. Könntest Du mich heute abend zurückrufen? Dankeschön und servus."

Am Abend:

„Karl Schmied. Bitte legen Sie nicht auf. Sie sind mit meinem Telefonbeantworter verbunden. Es tut mir leid, daß ich nicht zu Hause bin. Aber Sie können mir eine Nachricht hinterlassen. Bitte sprechen Sie nach dem Pfeifton. Vielen Dank."

„Servus Karl. Ich bin's, Peter. Du wolltest mich etwas fragen. Es ist jetzt neunzehn Uhr. Ich gehe nachher ins Kino. Bitte ruf mich doch morgen früh an. Bis dann." Am nächsten Vormittag: „Hier ist der automatische Telefonbeantworter von Peter Oberhu-ber. Im Moment bin ich unterwegs. Bitte hinterlassen Sie Ihre Telefonnummer und Ihre Nachricht. Ich rufe Sie dann so bald als möglich zurück. Vielen Dank für Ihren Anruf."

„Ja, da ist wieder Karl. Hallo Peter. Du, die Sache, die ich Dich fragen wollte, das hat sich in der Zwischenzeit erledigt. Du mußt mich also nicht mehr zurückrufen. Also denn, das wär's.

Bis zum nächstenmal. Und mach's gut."

JÜRG MOSER

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