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Kindertagen

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Haben Sie schon beobachtet, wie verlegen ein Erwachsener einem Kind gegenüber sein kann? Wenn er mit dem Viertel-wüchsigen reden muß, aber nichts zu sagen hat? Da flüchtet er sich ins Fragen. Ich habe mir so einen Klischee-Dialog gemerkt. Ich weiß nicht mehr, wer der mit den ausgesuchtest blöden Fragen war; ach so ja, ich werde es selbst gewesen sein. Auf das unschuldige Opfer prasselten folgende Fragen nieder, wie aus der Wasserpistole geschossen, direkt ins Gesicht:

1. „Wie heißt du denn, Kleines?”

2. „Wie alt bist du denn?”

3. „Gehst du schon in die Schule?”

4. „In welche Klasse?”

5. „Gehst du gerne in die Schule?”

6. „Was ist dein liebster Gegenstand?”

7. „Was willst du werden, wenn du groß bist?”

8. „Wen hast du lieber, Vati oder Mutti?” (Die idiotischste Frage.)

Nun werden Sie sich fragen, warum ich diese Fragen zusammengestellt habe, außer um sie in Frage zu stellen. Weil der Humorist grundsätzlich jede Situation auf den Kopf stellt. So habe ich mich also gefragt, wie es sich anhörte, wenn ein Kind einen Erwachsenen all diesen Unfug fragte:

„Wie heißt du denn, Großer?” würde das kleine Mädchen das Frage- und Antwortspiel eröffnen. Darauf könnte ich noch leicht antworten. Auf die zweite Frage: „Wie alt bist du denn?” würde ich vermutlich ein paar Jährchen herunterschwindeln, aber Mädilein würde das Manöver durchschauen, denn Kinder wissen, daß Erwachsene flunkern. Die folgende Frage würdelauten: „Gehst du schon ins Büro, oder hast du noch immer keine Stellung?” Wenn ich darauf erwidern würde: „Ich gehe schon in die zweite Firma!”, bekäme ich eine Zusatzfrage: „Aha, bei der ersten bist du wohl durchgefallen?” Ich müßte mich rechtfertigen und anführen, daß der Direktor einen Pik auf mich gehabt hatte. Die Beantwortung der nächsten Fragen würde mir auch einiges Kopfzerbrechen bereiten: „In welche Steuergruppe gehörst du? - Gehst du gerne zur Arbeit? - Was ist denn deine Lieblingsarbeit? Was willst du werden, wenn du groß bist?”

Gegen die letzte Frage würde ich mich gewiß wehren und entgegnen, daß ich ja schon erwachsen sei. Da könnte es mir allerdings passieren, daß mich das Kind aufklärt: „Aber groß bist du lange nicht. Ein feiner Unterschied, nicht?” Damit kämen wir zu der hirnrissigen Frage, bei der mir der Kragen platzt: „Wen hast du lieber, deine Frau oder deine Sekretärin?” Darauf würde mir, wie jedem Erwachsenen, wenn er nicht mehr weiter weiß, die Hand ausrutschen.

Na ja, wir werden alle früher oder später erwachsen, aber wir werden niemals einem Kind gewachsen sein.

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