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Konzerte

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Einen Tag nachdem er als kongenialer Partner von Gidon Kremer fasziniert hatte, gab Oleg Maisen-berg im Brahms-Saal seinen Abend mit der 6. Klaviersonate von Pro-kofjew, acht Preludes aus Debussys 1. Band und Schuberts c-Moll-So-nate. Maisenberg ist schließlich ein Expressionist. Prokofjew klang jedenfalls faszinierend: so authentisch wie nur möglich. Ebenso kompetent und dazu sensibel war die Debussy-Interpretation. Schubert wurde eine Enttäuschung: Maisenberg entfesselte bei weitem nicht alle Energien, die in dieser Musik stecken und vertrat eine abgenutzte, fast altertümelnd „wienerische“ Auffassung mit kleinen technischen Unsicherheiten und „molliger“ Pedalisierung, ohne in die Tiefen einzudringen. Schade, aber wer kann schon alles.

Ebenfalls im Brahms-Saal war das junge und doch schon sehr gute Seifert-Quartett zu hören. Bei Haydn (G-Dur, Hob. 111/81) bot es ein Meisterstück mit der richtigen Portion von Temperament, beseeltem Klang ohne Eintrübung, feiner Dynamik (aber ungekünstelt) und polyphonem Leben im Zusammenspiel. Mit Hingabe sondergleichen erkämpften die Künstler die atemberaubende Intensität, den Vorstoß in die Gefühlswelt von Schuberts letztem Streichquartett (D 887). Großartig gerieten die Stimmungsdichte, der geheimnisvoll um-schieierte Klang, nicht zu überhören waren aber die vergröberte Intonation und ein gewisser Verlust an Präzision im Zusammenspiel. Die Ausdruckswelt der Klassik scheint erobert, weitere Arbeit wartet; wenn die ambitionierten Quartettkünstler einen unangefochtenen Spitzenplatz wollen, muß sie getan werden.

Im Schlußkonzert der Festwochen dirigierte Carlo Maria Giulini die Wiener Symphoniker, vollendete die „Krone der Musik des neunzehnten Jahrhunderts“ (Max Auer) die musikalischen Ereignisse der letzten Wochen und wies schon auf das Motto der nächsten Festwochen hin, die der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts und den Jahren bis 1918 gewidmet sein werden. Es war diese Interpretation der „Achten“ von Bruckner eine fulminante Leistung, Giulini sollte nicht nur im Musikverein, sondern auch in Linz Ehrenmitglied werden. Die Symphoniker spielten, daß es eine wahre Freude war; besonders - und fast ohne Ende - zu rühmen ist das Blech: die weichen Hörner, die schneidigen Trompeten und die wunderbar milden und doch machtvollen Posaunen. Hätte Giulini, weniger selbstvergessen, auch seine technischen Kapellmeisterqualitäten eingesetzt, wären auch einige rhythmisch verwaschene Streicherstellen so meisterhaft ausgefallen wie das ganze Konzert.

Man könnte Felicitas Keil in be-zug auf ihre phänomenale Technik und ihr Temperament als geistige Enkelin von Franz Liszt bezeichnen. Verdankt sie doch ihren kräftigen, fast maskulinen Anschlag, die Sicherheit und Brillanz, mit der sie ihr Instrument beherrscht, Stefan Askenase, der selbst Schüler eines Liszt-Schülers war. Ihr traditionelles Wiener Festwochenkonzert im Palais Auersperg hatte die auch bereits in Amerika erfolgreiche junge Pianistin mit allen Schwierigkeitsgraden angereichert: Haydn, Schubert (zwei Scherzi, sehr eigenwillig dargeboten), Beethoven (sechs Bagatellen) und sieben Stücke aus den Wanderjahren (Italien) von Liszt. Bei den Petrarca-Sonetten, großen pathetischen Hymnen, bravourös aufgetürmt mit raumgreifenden Tonkaskaden, dabei doch differenziert gespielt, verschlug es manchem den Atem. Wenn sie ihr etwas kühles, distanziertes Spiel - besonders in den Beethoven-Bagatellen -noch durch Wärme und Beseelung vertiefen kann, hat Felicitas Keil vermutlich eine beachtliche Karriere vor sich.

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