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Molière und viel Musik

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Nach den vom Regenpech verfolgten Seeaufführungen des „Fliegenden Holländers“ war das Wetter der überaus gelungenen Freilichtpremiere der Komödie „Arzt wider Willen“ von Moliere beim Bregenzer Martinsturm absolut hold. Im romantischen Burghof sorgte das spielfreudige Ensemble des Theaters für Vorarlberg mit komödiantischer Unbekümmertheit und Witz für herzliches Lachen der amüsierten Zuschauer zwischen dem mittelalterlichen Gemäuer. Die Akteure erschienen halb kostümiert auf der Szene, bauten aus Fässern und darübergelegten Brettern eine stilgerechte Pawlatschenbühne und würzten zwischen Schminken, Frisieren und Ankleiden ihre Vorbereitungen mit oft zynischen Bemerkungen, die den Zuschauer einen Blick hinter die Kulissen einer durch die Lande ziehenden Theatertruppe mit all ihren kleinen Eifersüchteleien und ehrgeizigen Hoffnungen tun ließen. H. C. Artmann hatte in gewohnt deftiger Sprache eine neue deutsche Übertragung dieser handfesten Glosse über die salbadernde Quacksalberei der Mediziner beigesteuert. So stand einer unbeschwerten Unterhaltung nichts im Wege, und Regisseur Bruno Felix diente ihr mit derb-kräftigem Schwung nach besten Kräften. In Kurt Sternik als Sganarelle und Arzt wider Willen hatte er dabei seinen besten Helfer, der mit naturburschenhafter Vitalität und schauspielerischer Laune seine erprügelte Wandlung vom saufenden Tagedieb zum phrasendreschenden Äskulapjünger munter über die Rampe brachte. Auch die übrigen, zumeist jungen Mitwirkenden schienen selbst einen Heidenspaß an diesem doppelbödigen Mummenschanz zu haben, mit dem sie ihren Besuchern einen heiteren und unbeschwerten Theaterabend bescherten.

Den weitgespannten und reichhaltigen Bogen der rein musikalischen Darbietungen, die im Laufe der Jahre zu einem bedeutenden künstlerischen Anliegen der Bregenzer Festspiele geworden sind, untermauerten entscheidend die fünf Orchesterkonzerte, wovon eines ausschließlich der Musik des XX. Jahrhunderts gewidmet war. Daß es nur von einer geringen Besucherzahl frequentiert wurde, bewies wieder einmal die keineswegs immer gerechtfertigte Animosität weiter Publikumsschichten — und sie sind im Ländle vielleicht besonders stark verbreitet — gegenüber zeitgenössischen Kompositionen. Dabei huldigte das Programm mit der Aufführung der Idylle „Im Sommerwind“ von Anton von Webern, dem 1966 entstandenen Konzert für Violine und Orchester op. 33 von Gottfried von Einem und dem vierteiligen Orchesterwerk des Polen Witold Lutoslawski eher einer gemäßigten Moderne. Das ORF-Orchester unter der sicheren Stabführung von Milan Horvat gab vor allem dem Werk Lutoslawskis, in dem barocke Formen und folkloristische Elemente aufregend miteinander verschmelzen, monumentale und interessante Wirkung. Bewundernswert auch die Leistung der jungen deutschen Geigerin Christine Edin-ger, die Einems überaus schwieriges Violinkonzert mit brillanter Technik und einwandfrei tragendem Ton meisterte.

Von den übrigen vier Konzerten, die alle von den Wiener Symphoni~ kern unter verschiedenen Dirigenten bestritten wurden, hatten das dritte und das fünfte besonderes Gewicht. Der junge und dynamische Dirigent Leopold Hager packte seine Zuhörer vor allem durch die mitreißende Wiedergabe der Symphonie Nr. 4 in d-Moll op. 120 von Robert Schumann, nachdem er vorher das von dem jungen Pianisten Rudolf Buchbinder souverän gespielte Konzert für Klavier und Orchester op. 20 von Gottfried von Einem sowie die heiter aufrauschende Symphonie Nr. 5 in B-Dur von Franz Schubert zu schönem Erfolg geführt hatte. Schließlich wurde die 6. Symphonie in A-Dur von Anton Bruckner unter der Stabführung von Vaclav Neumann zu einem erregenden Erlebnis. Was man leider von den beiden Konzerten unter Maxim Schosta-kowitsch, dem Sohn des berühmten russischen Komponisten Dimitri Schostakowitsch, nicht behaupten kann.

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