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mon pnnce

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meine mutter hat mir immer blu-men gebracht, als sie kam. sie hat diese blumen von weither gebracht, deswegen betrachte ich worte. wie diese blumen sind sie ein gleichnis, für eine unsägliche mühe, für ein aufgehobensein in einer Schönheit, die Verwendung dieses gleichnisses mag als Ursache gelten, daß die Geschichte vom prinzen schön klingt, obwohl tatsächlich die mißtöne überwiegen.

die anordnung der worte ist nämlich unnatürlich wie ein abgesang. die anordnung ergibt eine ergebnis-losigkeit. der augenblick der ent-fremdung ist in der darstellung enthalten, die blumen, die für diese darstellung gegeben wurden, sind dem nichts gegeben.

tatsächlich wohnen der prinz und ich in einem schloß, das schloß gehört in seinen formen mehreren Zeitaltern an, es hat keinen bestimmten ausdruck, es ist jedoch die längste zeit gelb gewesen, es ist ziemlich groß und besteht aus drei zusammenhängenden gebäudeteilen, es gibt zwei höfe und einen großen park mit fremden bäumen, es gibt zwei brunnen, einen in einem hof — in der mitte des einen brunnens befinden sich heiligenflguren, in der mitte des anderen, der sich im park befindet, ein mit moos bewachsener faun. auch Zwischenräume gibt es im bau des Schlosses, die man einfach mit steinen angefüllt hat, weil man nichts damit anzufangen wußte, es kann sein, daß das eben geschilderte schloß ganz anders aussieht.

tatsächlich wohnen der prinz und ich in einem schloß.

der prinz hat als älterer herr existiert, er hatte französisch-spanisches blut. er war ein chronischer trinker. er pflegte mit hängenden schultern auf dem kiesbestreuten rundweg des parkes zu gehen und auf den grüß des elfjährigen mäd-chens freundlich zu antworten, er schrieb mir einen brief aus der trin-kerheilanstalt. er starb an leberzer-setzung.

seine leiche wurde nach frankreich übergeführt, ich vermisse den prinzen, denn er hat mich mit großer höflichkeit behandelt und die linien der schriftzeilen seines briefes gingen nach unten.

bald nach seinem abieben starb

auch die beschließerin, sie war schon längere zeit unheilbar krank gewesen, zu schließen nach der unnatürlichen bläue im gesicht, hatte sie mit gift ihr leiden beendet ein anderer prinz aus frankreich war bei der Verbrennung ihrer leiche anwesend.

ihr beschließerlnnenkleid war schwarz gewesen, über den herrschaftlichen möbeln, die sie geschenkt bekommen hatte, waren graue schöner gezogen gewesen, ihre lange zeit hatte sie sich mit boshaften handlungen verkürzt, täglich war sie umständlich durch die langen wassertriefenden gänge gewatschelt, um zu sehen, ob alles gut abgesperrt sei. ihr riesiger Schlüsselbund hatte geklirrt, sie hatte von den teils abwesenden, teils verstorbenen prinzen nur von hoheiten gesprochen und eine ehrfürchtige erhabenheit kam

in ihren zügen zum ausdruck, wenn sie von ihnen sprach.

ein unsichtbares fatum schienen prinzen die gespräche der schloß-bewohner zu prägen, auch meine mutter lehrte mich beklommene ehrfurcht vor den prinzen.

es war mir klar, daß es sich hiei um andere, von gewöhnlichen leuten niemals erreichbare wesen handelte, auch mein vater, pflegte meine mutter zu erklären, war nicht so einfach gewesen, wie wir es waren, aber ein prinz war er nicht, immerhin muß er etwas ähnliches gewesen sein, da meine mutter den vorteil seiner höheren Position, seines höherseins überhaupt betonte, so daß seine ab-wesenheit wie ein beschwichtigender schatten über unserer eigenen bedeutungslosigkeit lag.

das schloß strömte die ahnung einer einmal vorhandenen prachl aus, die jetzt in schöne gedanken verwandelt war, und sich als zerbröckelnder stein gegen die häßliche zukunft stemmte, ich war enttäuscht, daß der prinz aus frankreich niemals in samt und seide gekleidet war, sondern aussah wie wir. trotzdem begriff ich mit der zeit, daß mein leben seine weihe durch den prinzen erhielt und daß ohne ihn mein leben sinnlos war. aber indem ich alle meine Vorstellungen nur ihm widmete, indem ich ihn überall suchte, auch als er längst nicht mehr war, gewann ich die schöne und erhabene Weltanschauung eines Untertanen.

von den umliegenden orten kamen frauen, um für fast gar kein entgell die gänge des Schlosses wischen zu dürfen — überallhin reichte dei schatten des prinzen.

der prinz und ich haben wunderschöne worte. manche von ihnen liegen fremd und schwer auf der zunge, und wir gebrauchen sie nur, um uns zu orientieren, manche von ihnen stehen in einer beziehung zu unserem leben, vieles ist uns nicht klar, den besitz des prinzen verlassen wir

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nie.

wir sind in hohen räumen mit den verschwimmenden rosentapeten. vor den Säulenfenstern sind die milchigen konturen der landschaft zu sehen, zu hause.

in den gängen des Schlosses weint es in der nacht, weil alles hier vergessen werden muß. frierende die-ner schluchzen in ihren kammern

und Ich wandle mit dem prinzen in der stickigen luft des Zerfalls.

warum das so ist, wissen wir nicht, denn die nebel des sees, der sich nicht weit vom schloß des prinzen befindet, bringt das glückliche mit sich, hoch über dem land zu den verblaßten blumen.

der prinz und ich bleiben nicht bei unseren namen, wir machen eine reise zusammen, das schloß verlassen wir nie.

unsere tage sind alle gleich, uns kann nichts überraschen und trotzdem ist das geheimnis da.

über den zäun des parks hinweg schüttelt der prinz manchmal leuten die hand, aber das hat nichts zu bedeuten.

des morgens wandelt der prinz auf kieswegen, die ehemals knirschten, unter roten, leuchtenden eibenbäu-

men, aber jetzt sind die wege mit gras überwuchert, denn die diener verbleiben tagsüber in ihren stickigen kammern — sie sind müde von den klagen der nacht, jedoch mit einem seltsamen sinn für das eben-maß, übersieht das der prinz. guten tag, sagt der prinz mit einer beto-nung, die ihresgleichen nicht hat, und lächelt müde zu meinem fenster herauf, als würde er sich an nichts mehr erinnern.

mon prince, sage ich, und das wird genügen, für alle zeit, ich weiß, er geht zu den fremden zedern und denkt an eine Vergangenheit und fragt mich, warum alles vorüber — aber er weiß keine antwort auf seine eigene frage.

sein schloß ist in tausend kammern geteilt — alle voll staub und voller gerümpel. das sind die räume der diener.

unsere räume, die leer sind und groß, sind durchwebt vom geruch des zerschlissenen samts. wir gehen eingehüllt in dieses parfüm durch die gänge in hallendem schritt, dessen echo verklingt am anderen ende.

mein prinz, sage ich, und das wird genügen für alle zeit, der prinz hat ein seidenes hemd aus spinnweben an, der kammerdiener ist tot, im jähre so und so hat man ihn aufgefunden und ich will keinen neuen mehr, sagt mir der prinz.

ja, sage ich, heutzutage ...

ich weiß, sagt ungeduldig der prinz — und blickt zum fenster hinaus.

ich liebe den prinzen, denn des morgens, bevor er im garten wandelt, kommt er herein mit einem wort in der hand. das wort heißt Verwesung und das wort heißt verfall, nachmittag: der prinz, eine rose, ein pfau. der prinz und die schlänge und ich vor verfallenen türen um drei und am tag, beim diner haben wir kerzen und wir schweigen über die zeit.

„je te demande, quest-ce qu'il y a avec le probleme chinois?“ er beginnt zu reden, zu reden und zu schweigen über die zeit: „la religion, ca commence toujours avec la religion, le probleme chinois — c'est ga, ... je suis tres fatigue... la co ca

, ^rtEÄ-'Asii .:.. .absiw ja zd die stichige Sonnenuhr zeigt uns

den nahenden abend und das erloschene feuer in den keramischen Öfen zeigt uns die nacht, und gehn wir, sagt der prinz in den keller, da stehen längst geleerte fässer und ich habe ein licht in der hand und der prinz hinter mir reicht mir etwas aus langeweile und müßiggang, und sagt, verrate es nicht und vergiß es. „vous prendrez un somnifer, o sweet, sweet cocacola and the burning candles at night...“ der schöne, grausame prinz.

die stunde der schlimmen träume ist gekommen, staub schimmert in der dunkelheit und der prinz verschwindet im blauen gemach, in der nacht stöhnt der prinz, es ist schwer, neue diener zu finden, die alten sind alle gestorben ...

„die freiheit oder die macht“, schreit der prinz, „was glaubst du,

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