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Neue Hoffnung für alte Idee

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1982 so11 f Nieder" X jr O Österreichs Pendler Erleichterungen bringen. ÖVP und SPÖ streiten nur über das Wie. Für die Wien-Pendler hat 1982 allerdings mit höheren Tarifen der Wiener Verkehrsbetriebe begonnen. Ein „Pendlerkrieg" zwischen Niederösterreich und Wien drohte. Nun zeichnet sich doch ein Ansatz für eine Pendlerlösung ab: Der Verkehrsverbund Ost.

Tausende blau-gelbe Landesbürger sind täglich unterwegs in die wirtschaftlichen Schwerpunktregionen. Uber 100.000 Niederösterreicher überschreiten die Landesgrenzen. Nach Steyr und Linz etwa. Die Mehrheit der „Grenzgänger" - über 80.000 -pendelt täglich nach Wien.

Längst sind die Pendler zum politischen Problem geworden. Ihre Lohnsummensteuern werten ohnehin potente Regionen auf, in der Heimat werden sie zu Fremden. In den Regionen mit den meisten Auspendlern ist-die Jugend am meisten drogengefährdet.

Schließlich führt langes Pendeln zur Abwanderung aus der Heimatregion. Besonders von Abwanderung betroffen sind nördliches Waldviertel und oberes Weinviertel.

Zuletzt ist das Pendlerproblem ein parteipolitisches. SP-Einbrü-che in früher lupenreine ÖVP-Landgemeinden dürften nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein. Kein Wunder, daß die Pendler zunehmend das Interesse der blaugelben Parteien wecken.

Die SPÖ fordert im Landtag eine Pendlerbeihilfe. Wie in Oberösterreich soll das Land aus Eigenmitteln je nach Weglänge Pendlern jährlich zwischen 1.000 und 2.000 Schilling abgelten.

Die ÖVP lehnt ab. In Oberösterreich bleiben die Pendler im Land, argumentiert man. An einer blau-gelben Pendlerbeihilfe müßte auch Wien mittragen, dessen Wohlstand blau-gelbe Pendler mehren.

Niederösterreichs Landesvater Siegfried Ludwig fordert überdies zur Erleichterung für Pendler einen Steuerabsetzbetrag. Nur wer — weil er zuwenig verdient — nicht absetzen kann, soll aus dem

Titel „Arbeitnehmerförderung" aus Landesmitteln unterstützt werden.

Der landesinterne Streit wurde nun nach außen verlagert: Mit 1. Jänner wurden die Wiener Verkehrstarife erhöht. Vor allem fiel die bisher für Pendler ideale 5-Tage-Wochenkarte (67 Schilling). Es gibt nur mehr die 7-Tage-Kar-te um 85 Schilling.

Ludwig zieh Wien der Pendlerfeindlichkeit. Die neue verbilligte Monatsnetzkarte (statt 395 nun 320 Schilling) und die Jahresnetzkarte um 3.200 Schilling bringen zwar Wienern und den Wiener Verkehrsbetrieben Vorteile, nicht aber Pendlern. Sie nützen ja nur fünf Wochentage.

Trotzdem wird Ludwigs Forderung nach Wiedereinführung der 5-Tage-Wochenkarte in Wien auf taube Ohren stoßen.

Auf einem anderen Gebiet dürfte die blau-gelbe Pendlerpolitik aber erfolgreich werden: Am 8. Jänner verhandelte Niederösterreichs Finanzreferent Erwin Pröll in Sachen Staatsvertrag Niederösterreich — Bund mit Verkehrsminister Karl Lausecker. Und plötzlich rückt der Abschluß eines „Verkehrsverbundes" zwischen Bund, Wien, Niederösterreich und Burgenland, um den bisher fast sechs Jahre vergeblich gerungen wird, in greifbare Nähe.

Der Verkehrsverbund brächte vor allem Pendlern Vorteile: Bessere Fahrplanabstimmung, einheitliche Tarife und ein Fahrausweis, der auf allen benutzten Verkehrsmitteln gilt. Jetzt muß mancher Pendler für Bus, Bahn und Straßenbahn je eine Wochenkarte lösen!

Das billige „soziale" Ticket ließe allerdings einen „Durchtari-fierungsverlust" entstehen — derzeit rund 131 Millionen im Jahr. An der Deckung dieses Abgangs ist der Verbund bisher gescheitert.

Zu decken hätten die Verbundgesellschafter den Verlust. Der Bund 50, Wien 30, Niederösterreich 15 und das Burgenland 5 Prozent. Die beiden letzteren aber lehnten ab: Sie wollten nicht das ständig steigende Defizit der Wiener Verkehrsbetriebe mittragen, ohne auf deren wirtschaftlichere Führung Einfluß nehmen zu können.

Nun haben Pröll und Lausecker ein günstigeres Modell vorgeschlagen: Die Übernahme verschiedener Aufgaben durch die „Verkehrsverbund-Gesellschaft" könnte den „Durchtarifierungs-verlust" von vornherein geringer halten. Die Gesellschaft könnte die Fahrplanabstimmung, die gesamte Abrechnung und Revision, die Werbung und die Schulung des Personals übernehmen. Außerdem sollen die vier Gesellschafter nur einstimmige Beschlüsse über die Übernahme von Aufgaben fassen dürfen.

Nieder Österreich hat sich überdies — vorerst vom Bund — eine Zustimmung für eine wesentliche Erweiterung des Verkehrsverbund-Gebietes geholt Die bisherige 30-Kilometerzone rund um Wien soll nur die „Kern-Zone" bilden. An sie sollen sich weitere Verbund-Zonen anschließen in jene Räume, die ihrerseits als „Pendler-Auffangbecken" gelten -etwa St. Pölten für Niederösterreich — West und Krems fürs Waldviertel. Ähnlich wie beim Telephonieren würden in den Zonen abgestufte Tarife gelten. Ein nahtloser Anschluß an „rund um Wien" wäre garantiert.

Was Pröll noch von Lausecker erhandelte: Die Nordbahn soll schnellbahnmäßig ausgebaut werden, die Südbahn bis Wr. Neustadt. Bund und Land wollen in Niederösterreich ein „park-and-ride"-System für Autopendler aufbauen.

Aber wird an diese Vorarbeiten der Verkehrsverbund-Ost anschließen? Das hängt vor allem von Wiens Zustimmung ab. Wiens Finanzstadtrat Hans Mayr scheint den neuen Plänen nicht ganz abgeneigt. Lausecker jedenfalls hat schon zu Verhandlungen geladen.

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