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Nur Langeweile

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Im Reigen der Wiederentdeckungen von Mozarts Jugendopern im Rahmen der Salzburger Festspiele hat nach „Ascanio in Alba“ (1967) und „Lucio Silla“ (1964) nur noch „Mitridate, Re di Ponto“ gefehlt: Die Aufführung in der Felsenreitschule, die erste Präsentation 201 Jahre nach der Uraufführung im Mailänder Teatro Regio Ducal und ein Jahr nach der konzertanten Wiedergabe bei der Salzburger Mozart-Woche, zeigte leider lediglich nur die Probleme auf, die das Team Leopold Hager (musikalische Leitung), Wolfgang Weber (Regie), Peter Heyduck (Ausstattung) mit dieser Opera šeria hatte, nicht aber, welche optischen und musikalischen Reize dieses Werk des Vierzehnjährigen birgt.

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Im Reigen der Wiederentdeckungen von Mozarts Jugendopern im Rahmen der Salzburger Festspiele hat nach „Ascanio in Alba“ (1967) und „Lucio Silla“ (1964) nur noch „Mitridate, Re di Ponto“ gefehlt: Die Aufführung in der Felsenreitschule, die erste Präsentation 201 Jahre nach der Uraufführung im Mailänder Teatro Regio Ducal und ein Jahr nach der konzertanten Wiedergabe bei der Salzburger Mozart-Woche, zeigte leider lediglich nur die Probleme auf, die das Team Leopold Hager (musikalische Leitung), Wolfgang Weber (Regie), Peter Heyduck (Ausstattung) mit dieser Opera šeria hatte, nicht aber, welche optischen und musikalischen Reize dieses Werk des Vierzehnjährigen birgt.

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Über „Verdrisse, die jeder Capeilmeister von der Virtuosa Canalia ausstehen muß“, wußte schon Leopold Mozart während der Arbeit seines Sohnes an dieser Oper zu berichten. Freilich irritierte ihh weniger, was heute fast jedes Team scheitern läßt: daß Vittorio Amadeo Cigna-Santis Libretto nach Racine fast ausschließlich aus Rezitativen und Da-capo-Arien besteht, an die sich Mozart sklavisch gehalten hat. Die bei der sechs Stunden dauernden Uraufführung wesentlich auflockern- den Ballett! von Caselli müßte man freilich hier weglassen. Bleibt eine vier Stunden dauernde Oper, voň der noch insgesamt eineinhalb Stunden abgestrichen werden mußten. Das Ergebnis: Fast jede Partie wurde um eine Arie und umfangreiche Rezitativteile gekürzt sowie um Teile der Orchestereinleitungen und generell um alle Arienwiederholungen (was die Bezeichnung Da-capo-Arie somit ad absurdum führt!). Ein karges Handlungsgerüst blieb von dieser Dreiecksliebesgeschichte zwischen der schönen Aspasia, König Mitridate und seinem aufbegehrenden Sohn Famace. Und selbst diese karge Geschichte wurde in Wolfgang Webers banaler Regie total erstickt.

Die Kette der Irrtümer und Eigensinnigkeiten beginnt aber bereits bei der Wahl der Felsenreitschule: Entschließt man sich für sie, so muß man sie auch „mitspielen“ lassen. Genau das Gegenteil befolgt die Inszenierung: Die Arkaden sind durch riesige schimmernde Kunststoffbahnen verhängt, die nur eine Aufgabe haben: die viel zu breite Spielfläche notdürftig auf die Größe einer normalen Guckkastenbühne zu reduzieren. Verwandlungen sind unmöglich. Also entstand ein stilistisch zusammengepantschtes Einheitsbühnenbild: Nylonhänger, Barocktorbogen, prunkvolle Barockkostüme. Damit nimmt man dem riesigen Werk jede optische Abwechslung. Statt durch immer neue barocke Kulissenwunder den Betrachter in Spannung zu halten und üppigstes Illusionstheater in Palästen, Gärten, Kerkern, im Hafen und in Tempeln zu entfalten, läßt man den von all der Langeweile gequälten Zuschauer im Halbdunkel dösen. Ein paar Lichteffekte, Signalbatterien, die Peter Heyduck sich bei den Bundesbahnen ausgeliehen haben könnte, sollen blau-rot-grüne Wunder wirken.

Aber auch vom Spiel her gibt’s keine Abwechslung: das dramaturgisch-dürftige Schema enthält kaum effektvolle Auftritte und Abgänge. Die Sänger werden verkrampft geführt, stehen in starren falschen Posen sinnlos herum.

Leopold Hager versuchte, banale Opernsituationen und Charaktere musikalisch zu modellieren. Es gelang nur in den wenigen Höhepunkten: im einzigen, allerdings grandiosen Duett am Ende des zweiten Aktes, in Aspasias g-Moll-Arie, in Mitridates Rachearie. Das Mozarteum-Orchester begleitete sauber. Vom vielgepriesenen „Mozart-Stil“ keine Spur…

Die Besetzung läßt Viel zu wünschen übrig: Peter Schreier, gewiß ein verläßlicher, kultivierter Sänger, ist sicher kein Mitridate. Seinetwegen mußte man eine der schönsten Arien (wegen zu vieler c) streichen. Er kämpft sich mühevoll durch die verzierungsreiche Partitur. Edda Mosers Aspasia: eine verhaltene, auch stimmlich in sich gekehrte Heroine, keine Primadonna. Man gibt ihr in ihren Auftritten auch zuwenig Chancen, sich mit großer Attitüde zu präsentieren. Arleen Auger und Helen Watts singen die Partien der Söhne Sifare und Far- nace brillant, mit schönem, weichem Timbre. Partiendeckend: Pilar Lorengar (Ismene), Peter Baillié (Marzio), Reingard Didusch (Arbate). Runde, wenngleich dank der fünf hohen Frauenstimmen sehr kontrastarme Ensembles.

Im ganzen eine vertane Chance, ein musikalisch hörenswertes Werk fürs Festspielrepertoire zu gewinnen.

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