6835368-1975_11_13.jpg
Digital In Arbeit

Philharmoniker und Liederabend

Werbung
Werbung
Werbung

Immer wieder ein Ereignis ist Claudio Abbado am Pult der Wiener Philharmoniker: Nun dirigierte er, Einspringer für Lorin Maazel, Strawinskys „Feuervogel“-Suite, Beethovens „Eroica“ und Haydns Symphonie Nr. 96. Ein langes, aber rundes Programm, in dem der Dirigent den Musikern viel abverlangt: äußerste rhythmische Konzentration in den schwirrenden Kaskaden des Strawinsky-Stücks, geschmeidigen, sattgetönten Bläserklang bei Beethoven, ein Maximum an klanglicher Eleganz, an leichtem Musizieren bei Haydn. Das Imponierende dabei ist, daß Abbado die Philharmoniker zu Höchstleistungen zu führen weiß: Jede Phrase, jedes Detail ist hörbar mit Engagement gestaltet, es mangelt nirgends an Intensität der Farben und des Ausdrucks, an Sicherheit im Technischen. Ein zu Recht vielbejubeltes Konzert, das bewies, daß da zwischen Dirigent und Orchester eine Harmonie herrscht, die nicht immer anzutreffen ist.

Genug jetzt der Kritik und des Gekeifes, denen sich Edith Mathis, Peter Schreier und Erik Werba wegen der Reihung jener 46 Lieder von Hugo Wolf auf Gedichte von Paul Heyse aus dem Italienischen aussetzten! Diese Lieder waren nie als Zyklus angelegt, sondern entstanden, in zwei überaus fruchtbaren Schaffensperioden, 1890 bis 1891 und im März/April 1896. — Es würde nicht die Mühe lohnen, auf das Gekläff einzugehen, hätte nicht das Fernsehen, nachdem es eben diesen Liederabend ausführlich vorgestellt hatte, ein unbedachtes, grobes und unhöfliches Wort aus einem Wiener Mittagsjournal herausgegriffen und orbi et urbi bekanntgemacht. Dem Fernseher und -hörer, noch beeindruckt von der hohen Qualität des Dargebotenen, wurde vom TV-Kommentator mitgeteilt, daß die Wiener Musikkritik anderer Meinung sei und das Ganze als „Wahnwitz“ bezeichne. „Die Wiener Musikkritik“ — bitte — wer ist das? Und war man sich, eine solche Unmanierlichkeit im Fernsehen verbreitend, dessen bewußt, daß dies ein Rufmord an drei hervorragenden Künstlern ist ■— wobei wir ausdrücklich auch den Begleiter, Prof. Dr. Erik Werba, als Betroffenen miteinbeziehen, ihn, den Berater und Programmierer unzähliger Sängerinnen und Sänger (nicht nur deren „Begleiter“ am Klavier). Diese Untat verdient eine Rüge, die wir hiemit erteilen. Zum Abend und seinem künstlerischen Wert: zwei schöne, gutgeschulte Stimmen, den Ausdruck auf das sorgfältigste dosierend, beide verstehend, was sie sangen, das Podium freilich nicht in eine Bühne verwandelnd, auf der sich neckische oder tragische Liebesdialoge abspielen. Das also taten sie nicht — und das wurde ihnen in so rüder Form angekreidet. Kaum irgendwo in einem Journal ein ausreichendes Wort über die Qualitäten des Vortrags, die Deutlichkeit der Artikulation, die Sorgfalt der Phra-sierung. — Gewiß, diese ominöse „Reihung“ war zu „akademisch“, zu wenig auf Wirkung bedacht. Aber jedes einzelne Stück war ein Juwel an „Wohlgestalt und Feingehalt“, wie es einmal, den alten Goethe zitierend, ein Dichter unserer Zeit als Maßstab für ästhetische Bewertung empfohlen hat. Der Begleiter Professor Werba erwies sich wieder als hervorragend und zurückhaltend, mit einem Wort: als kaum zu überbietender Meister seines Metiers, als echter „Apollon musagetes“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung