Das Frischluft-Drama
Was genau läuft schief, wenn einen das eigene Kind als Dramaqueen outet? Eine Kolumne über die Tücken des Familienlebens.
Was genau läuft schief, wenn einen das eigene Kind als Dramaqueen outet? Eine Kolumne über die Tücken des Familienlebens.
Ein Anlass in meinem Familienleben bringt mich regelmäßig auf die Palme: Es ist der Moment, kurz bevor wir am Wochenende zu dritt das Haus verlassen – zum coronakonformen Frische-Luft-Schnappen. Dass diese Zeit in der Natur vor allem mir ein Anliegen ist, lassen mich der große und der kleine Mann deutlich spüren. Während ich schon fertig angezogen im Gang stehe, beginnt mein Sohn seine Legofiguren zu zählen. Oder er blättert bedächtig in einem Piratenbuch. Oder er malt ein Superhelden-Bild. Auch mein Gatte nutzt den vermeintlichen Leerlauf für seine Erledigungen. In aller Seelenruhe chattet er mit WhatsApp-Gruppen, sortiert Post oder lobt das Kind für dessen künstlerisches Talent.
Dass ich schwitzend und ungeduldig auf den Aufbruch warte, scheint niemanden zu tangieren. Das wiederum führt dazu, dass ich am Ende wie ein Rohrspatz auf die Trödler einschimpfe. Vergangenen Sonntag tat ich erneut kund, mich ins Freie begeben zu wollen. „Aber nur unter einer Bedingung“, sagte daraufhin mein fünfjähriger Sohn. „Wenn du heute kein Drama machst.“ Wir Eltern brachen in Gelächter aus. Gleichzeitig fühlte ich mich dechiffriert.
Was genau hat man falsch gemacht, wenn einen das eigene Kind als Dramaqueen outet? Will es einem damit sagen, dass man nicht alle Tassen im Schrank hat? Hysterisch ist? Unangemessene Theatralik walten lässt? Kleinlaut fragte ich, wie es in Zukunft besser laufen könne. Mein Kind überlegte, sagte dann: „Du musst dich beruhigen, wenn wir noch keine Zeit haben.“
Das habe ich dann auch gemacht. Ich habe alleine ein paar Runden gedreht. Als meine Männer dazugestoßen sind, war ich bereits tiefenentspannt. Familienleben kann so einfach sein.
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