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Revolution von oben
Die Pariser musikalische Saison begann dieses Jahr mit einem Höhepunkt. Vor allem war nach langem Harren die gut gelungene Wiedereröffnung der Oper mit einer anspruchsvollen „Walküre“ zu verzeichnen. Durch gründlich verbesserte Arbeitsbedingungen (insbesondere was die Zahl und Dauer der Proben betrifft), die im veralteten Palais Garnier tatsächlich als Revolution gelten, konnte der Gastdirigent Lovro von Matacic aus dieser, in Paris bisher immer lieblos heruntergeleierten Partitur ein beseeltes, feuriges Orchesterepos schaffen, welches endlich der schönen symbolischen (und fast letzten) Inszenierung Wieland Wagners gerecht wurde. Eine internationale Besetzung, Jean Cox als Siegmund, Rigine Crespin als Sieglinde, vereinigte sich mit jungen, doch zuverlässigen Talenten: die Engländerin Margaret Kingsley als Brünnhilde und besonders die Französin Michele Vilma als Fricka, zu einem wirklichen Ensemble. Nach diesem Abend merkt man die Bestrebungen des französischen Kultusministers J. Duhamel, dem zukünftigen Generalintendant R. Liebermann und dem Generalmusikdirektor Georg Solti eine solide Basis für weitere Erneuerung der Pariser Oper zu bieten.
Dieselbe fortschrittliche Tendenz des französischen Musiklebens zeigt sich auch beim Orchestre de Paris. Schon lange bedauert man den häM;-näckigen Akademismus des Musikestablishments, das immer wieder Beethoven, Brahms, Lalo, durch schläfrige Orchester unter mittelmäßigen, oft französischen, Dirigenten spielen läßt. Unter den zahlreichen Veranstaltungen zu Ehren Igor Strawinskys leitete Seiji Ozawa ein Abonnementkonzert (welchem der Minister persönlich beiwohnte), das ausschließlich Werken Strawinskys gewidmet war: Psalmensymphonie,
Capriccio für Klavier und Orchester, „Mouvements“ für Klavier und Orchester und „Feuervogel“-Suite. Solist war der blutjunge 22jährige Messiaenpreisträger Michel Biroff. In engem und offensichtlich heiterem Einverständnis spielten die beiden Jungen einen Strawinsky wie ihn die zeitgenössische, „distanzierte“ Ästhetik fordert. Das Publikum spendete stürmischen Beifall.
Vielversprechend hat die heurige Wintersaison begonnen, wir warten nun, ob uns die „Biennale der jungen Künstler“ etwas Entsprechendes auf zeitgenössischem Sektor bieten kann.
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