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Totale Stagione

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Genau auf vier Wochen Spielzeit kann der neue Pariser Operndirektor Rolf Liebermann zurückblicken: auf vier erfolgreiche Wochen, in denen er im Rekordtempo drei große Opernpremieren, Mozarts „Hochzeit des Figaro“, Glucks „Orpheus und Eurydike“, Wagners „Parsifal“ und eine Ballettgala auf die Bühne des Palais Garnier gebracht hat, einen „Troubadour“ (Premiere: 2. Mai) und einen Varese-Abend (25. Mai) vorbereitete und zugleich auch alle vertraglichen Neuregelungen mit Chor, Orchester, Ballett und Technik durchsetzen konnte, also gerade mit jenen Gruppen, an deren Eigenleben, Sonderverträgen und gewerkschaftlichen Druckmitteln früher der Repertoirebetrieb schließlich gescheitert ist.

Liebermanns erster Trumpf: Man begegnet an der Pariser Oper endlich wieder all den weltberühmten Sängern, die man so lang vermißt hat: Theresa Berganza, Mirella Freni, Gundula Janowitz, Gwyneth Jones, Martina Arroyo, Shirley Verrett, Placido Domingo, Nicolai Gedda, Donald Mclntrye, Carlo Cossutta ... Und obwohl es sich eigentlich noch um eine erste improvisierte Saison handelt, hat Liebermann ein erstaunlich anspruchsvolles Programm zustandegebracht, das immerhin von Regisseuren wie Giorgio Strehler, Rene Clair, August Everding, Tito Capobianco und Dirigenten wie Solti, Muti oder Stein, betreut wird. Sein Repertoiresystem hat er freilich von Grund auf geändert: Modernisierung bedeutete für Liebermann nicht nur eine bauliche Erneuerung des Hauses und seiner technischen Einrichtungen, sondern vor allem auch eine Änderung des Systems der Opernführung überhaupt, also in der Gestaltung von Spiel- und Besetzungsplänen. In einer Stagione, die alle Bereiche erfaßt, von den Dirigenten und Sängern über Orchestermusiker, Chor und Ballett bis zu den Technikern und Garderobern, glaubt er die einzig mögliche Lösung gefun-

den zu haben, qualitativ bessere Repertoireabende bieten zu können. Das heißt, für jede Aufführungsserie einer Oper steht bis zum letzten Tag ein und dasselbe Team zur Verfügung. Und wenn das Werk neu besetzt wird oder wenn auch nur einzelne Umbesetzungen bei Sängern, im Orchester usw. vorgenommen .werden, stehen auch eigene Probentermine zur Verfügung.

Freilich setzt auch diese „Stagione bis zum äußersten“ ein eigenes Sängerensemble voraus. Zwölf junge Sänger, sogar vielversprechende, die Liebermann kontinuierlich große Partien studieren läßt, um im Notfall „Einspringer“ zur Hand zu haben, sind hauseigen und stehen als erstklassige Besetzungen der kleinen Partien zur Verfügung. Bestes Beispiel: die junge Afrikanerin CJiri-stiane Edda-Pierre, die im „Orpheus“ einen sensationellen Amor und im „Parsifal“ vorerst ein Blumenmädchen sang, die aber Liebermann sobald wie möglich für große Partien und eine Karriere aufbauen möchte.

Außerdem hat Liebermann mit einem Budget von etwa 275 Millionen Schilling das Problem, streng haushalten zu müssen: Also entschloß er sich, wöchentlich drei Opernabende und drei Ballettabende anzusetzen und einen Tag geschlossen zu halten, was immerhin die enormen Sängerkosten von rund 150 Abenden einspart, da die Ausgaben für Ballett im Normalbudget, das heißt in den Gehaltszahlungen enthalten sind und keine Sonderkosten verursachen.

Das Pariser Publikum, glücklich, daß endlich wieder regulär Oper gespielt und das traditionsreiche Ballett gepflegt wird, ist jedenfalls mit dieser Aufteilung absolut zufrieden. Der Beweis: Abonnementverkauf, finanziell die Grundlage, und freier Kartenverkauf garantieren Abend für Abend bei mehr als dreitausend Plätzen ein ausverkauftes Haus.

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