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Schonbergs Achte
Was später auch Gustav Mahler nachvollziehen mußte (der Vergleich mit seiner „Symphonie der Tausend“ liegt nahe): die konsequente Ausweitung und Auflösung der Symphonie aus dem Geiste der Spätromantik, diesen Schritt hat Schönberg ein Dezennium früher getan, die Arbeit aber erst nach der Uraufführung von Mahlers „Achter“ abgeschlossen. Freilich liegt auch bei tolerantester Auslegung hier keine Symphonie vor, Schönberg hat diese „Lieder“ überhaupt ohne Opuszahl veröffentlicht und zu einer Zeit, als er die Romantik längst überwunden hatte und bereits Werke wie die 1. Kammersymphonie oder das hochexpressive Monodram „Erwartung“ vorlagen. Für das Publikum war und ist dieser „Schönberg“ von allen Seiten akzeptabel: die Romantiker goutie-ren ihn, die Modernen versagen ihm nicht ihre Anerkennung, alle beeindruckt er durch die monumentale Wucht und vor allem die Genialität der Chorsätze.
Optisch war die Verbindung dieses Werkes mit dem Großen Konzerthaussaal eine äußerst glückliche, eine stilistische Einheit. Michael Gielen erreichte mit höchster Spannkraft trotz des riesigen Apparates ein differenziertes, sauber „durchhörbares“ Musizieren voll packender Stimmungsdichte. Die rund zweihundert Sänger (Wiener Singakademie, der ORF-Chor und der Männerchor der Slowakischen Philharmonie Preßburg) waren bestens vorbereitet, sangen klangvoll, diszipliniert und flexibel. Weniger überzeugend ging es bei den Solisten zu: Erstens werden sie (natürlich) bei der Rundfunkübertragung (am 14. Jänner um 20 Uhr in ö 1) besser zu vernehmen sein, zweitens aber war auch die Qualität der Stimmen nicht so hoch, wie man sich das bei einer ohnehin schon so teuren Aufführung wünschte. Gene Ferguson (Waldemar) setzte erst an viele „gerade“ Töne ein spätes Vibrato, Karin Ott vermochte bloß mit einigen schönen, das Orchester überstrahlenden Spitzentönen Besonderes zu bieten. Dagegen wies Matti Juhani als Klaus-Narr ein sehr ansprechendes Stimmmaterial mit dem Charakter eines Wagnerschen Loge auf, beeindruckte Margita Lilowa durch Kraft und persönliches Timbre. Uwe Friedrich-sen war ein musikalischer und intelligenter Sprecher mit etwas verunglückter Mimik. — Der Erfolg des Werkes, das man ja nicht alle Jahre hören kann, war einhellig und allgemein.
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