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Schulbücher: Noch immer rückständig

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Eine Woche lang zeigten Österreichs Schulbuchverlage im Messepalast ihr Schulbuchangdbot für das Schuljahr 1977178 der interessierten Öffentlichkeit. Das waren aber, wieder einmal, fast ausschließlich Fachleute. Der Uberblick war umfassend. Auf den ersten Blick präsentieren sich die heutigen Schulbücher der heutigen Elterngeneration bunter, unterhaltender, vor allem auch optisch viel ansprechender. Sind sie auch zeit- und wirklichkeitsbezogener geworden?

Zweifellos beziehen die Bücher für den Sachunterricht an den Volksschulen- und hier in erster Linie die des Veritas-Verlages - die unmittelbare Umwelt der Kinder stärker ein als früher. Wirtschaft, Gemeinde, Pfarre, Bürgermeister, Wahlen, Partnerschaft, Natur, sogar der Körper, alles wird aufgegriffen. Eines aberHst unverändert geblieben: die heile Welt in den Schulbüchern. Dortklappt alles, jeder verträgt sich mit jedem, es gibt keine Konflikte und Meinungsverschiedenheiten, alles wird gütlich geregelt, und selbstverständlich tut jeder nur das, was sich „gehört“. Der Haushalt wird zwar als Beruf anerkannt, aber die berufstätige Frau und Mutter kommt immer noch nicht vor und teilt damit das Schicksal der Arbeitswelt im allgemeinen. Die Auswahl der Lesebuchgeschichten - vor allem in den Büchern des Ueberreu-ter-Verlages - ist zum Teil immer noch genauso uninteressant wie zu meiner Zeit; schon damals waren die meisten der Geschichten auch für eine Leseratte kein Anreiz zum Weiterlesen zu Hause.

Man könnte nun einwenden, es sei nicht die Aufgabe der Schule, die Schattenseiten des Lebens aufzuzeigen. Dieser Meinung dürften auch die Schulbuchautoren und -Verlage sein, die eine Woche lang ihr Angebot ausgestellt haben.

Dagegen spricht freilich, daß der Alltag in der Familie, auf der Straße und im Fernsehen Kinder sehr früh mit Konflikten konfrontiert und daß es sehr wohl Aufgabe der Schule wäre, den Lehrstoff anhand auch dieser Realität zu vermitteln. Sonst darf es auch in Zukunft niemanden wundern, daß so viele junge Menschen das, was sie in der Schule gelernt haben, mit ihrem späteren Berufsleben und mit ihrer Freizeit nicht in Einklang bringen können.

Positive Ansätze zeigen die Geschichtsbücher der vierten Hauptschul- und AHS-Klassen, wie sie zum Beispiel aus dem Verlag Roet-zer kommen. Die Vermittlung der neueren Geschichte ist zwar noch lange nicht ausreichend und auch nicht annähern so gestaltet, daß sie dem Schüler die Nachwirkungen etwa der Zwischenkriegs- und der NS-Zeit bis zum heutigen Tag begreiflich machen könnte, aber engagierte Lehrer haben immerhin Material zur Hand, mit dem sie in dieser Richtung etwas anfangen können, wenn sie nur wollen. (Auch das beste Schulbuch nützt nämlich wenig, wenn der Lehrer damit nicht umzugehen weiß.)

In ganz Österreich gibt es rund hundert Schulbuchverlage, die insgesamt etwa 1700 Schulbuchtitel herausgeben. Wirklich von Bedeutung sind etwa zehn bis zwölf Verlage. Von ihnen haben sich sieben zu einem Arbeitskreis zusammengeschlossen, darunter der Bundesverlag, Jugend & Volk, Hölder-Pich-ler-Tempsky, Holzel und Leykam. Für jedes Bundesland gibt es einen Schulbuch-Fachberater, meist ein pensionierter Lehrer; in größeren Bundesländern betreut ein Fachberater jeweils einige Bezirke.

Jeder Lehrer bekommt eine Liste mit dem gesamten Schulbuchangebot, aus dem er seine Wahlfrei treffen kann. Ob die Entscheidung wirklich beim Lehrer allein liegt oder ob es nicht die Direktoren sind, die das letzte Wort haben-auf diese Frage gab es keine klare Antwort. Klar scheint jedoch, daß beim Verlegen und beim Ankauf von Schulbüchern wirtschaftliche Aspekte Vorrang haben.

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