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UNO-Brief
Also, wenn ich mir so vorstelle, daß ich ein Ölscheich wäre, dann müßte ich mich jetzt auf der Stelle hinsetzen und der UNO einen Brief schreiben; einen geharnischten Brief mit der bitteren Beschwerde gegen die massiven und nicht mehr enden wollenden Verleumdungen, die da über mich seit geraumer Zeit schon in Umlauf gesetzt werden.
Liebe UNO, würde ich schreiben, während ich die Linke unter meinem Burnus balle, liebe UNO! Alles, was recht ist, aber nun geht mir die Sache doch allmählich über den Turban. Da wird es mir nach jahrzehntelanger, mit islamischer Gleichgültigkeit ertragener Melkung endlich zu dumm, mein öl für einen Pappenstiel abzugeben, und schon fällt die ganze Welt über mich her, schimpft mich einen schäbigen Erpresser und droht mit Raub und Totschlag. Dabei sind mir als dem Eigentümer des fetten Saftes bislang nicht mehr als 7 Prozent jenes Betrages geblieben, den der Endverbraucher dafür zahlen muß. Den anderen aber, die da so fleißig melken und bis zu 70 Prozent kassieren, denen hat noch kein Mensch mit dem Umbringen gedroht. Da soll unsereinem nicht der letzte Gallenrest hochkommen, beim dreimal verfluchten Scheitan!
Allah überhöre gnädig diese Entgleisung und lasse mich zum eigentlichen Grund meines heiligen Zorns zurückkehren! Ich fühle es nämlich von Tag zu Tag mehr, wie mich der Lebensmut verläßt, weil mich diese Verleumdungen nervlich aufreiben. Da haben sich doch die profltgieri-gen Ungläubigen zusammengetan und einen ganz teuflischen Plan ausgeheckt, um mich in allen vier Windrichtungen in totalen Verruf zu bringen: Bei jeder Preiserhöhung heucheln sie Bedauern und schieben die Schuld daran mir in die Sandalen, und weil das jedermann frißt, nützen sie die günstige Morgenluft und inflationieren lustig drauf los und streichen sich lachend den Gewinn in die Taschen. Alles auf Kosten meines Images! Ist das etwa nicht zum Aufjaulen? Aber das sage ich Dir, liebe UNO: Wenn sie jetzt auch noch die Hundesteuer hinaufsetzen und behaupten, mein öl sei daran schuld, dann — Allah verzeihe mir das schmähliche Ende! — häng' ich mich auf.
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