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Von Bach bis Lutoslawsky

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Solisten im Zenit ihres Lebens waren auf Tasteninstrumenten zu hören: Im Musikverein gab Karl Richter auf der von ihm disponierten Orgel einen Bach-Abend mit Präludium und Fuge Es-Dur, BWV 552, der 6. Triosonate, Präludium und Fuge D-Dur, BWV 532, ferner Toccata, Adagio und Fuge C-Dur und Fantasie G-Dur. Richter paßte sich weitgehend dem Wiener Geschmack an, indem er diesmal grellbunte Registrierung vermied, brillierte durch Virtuosität namentlich im Pedalspiel, wirkte aber stellenweise fahrig und unkonzentriert und ließ in dem machtvollen Werk in Es die innere Ruhe vermissen.

Hans Graf widmete seinen Klavierabend im Mozart-Saal Maurice Ravel am Vorabend der 100. Wiederkehr seines Geburtstages. Wir hörten den ersten Teil mit „Miroirs“ und der Sonatine. Grafs Interpretation ist weniger analytisch als die von Medjimorec, vielmehr geht er ganz vom Klang aus, und durch seinen variablen Anschlag, seine unglaubliche technische Sicherheit und spannungsdichte musikalische Deklamation erreichte er den Eindruck überzeugender Authentizität.

Die kammermusikalischen Ereignisse der vergangenen Woche gipfelten im Celloabend des erst dreizehnjährigen Raphael Flieder im

Schubertsaal. Der ehrgeizige Bub ist die Literatur gleich in ihrer ganzen Breite angegangen, spielte mit vorbildlicher Tonreinheit Bachs Solosuite in C-Dur und eine Vivaldi-Sonate (B-Dur), zwei Stücke von Schumann, op. 70, und Alexander Tscherepnins Sonate op. 30/2, und zwar dies alles auswendig und mit erstaunlich vollem, beseeltem Ton und vorbidlichem Strich. In Beethovens Klaviertrio op. 11 gesellte sich ihm seine fünfzehnjährige Schwester Klara Flieder zu, eine starke geigerische Begabung, deren Sensationserfolg im Brahmssaal noch in bester Erinnerung ist. Roman Ortner wirkte mit liebevoller Konzentration am Bösendorfer, als begleite er seinen kleinen Bruder.

Das australische Carl Pini-Quartett hatte im Mozartsaal sein Wiener Debüt mit Debussy, Lutoslawski und Haydn. Der österreichische Großmeister lag unseren Antipoden leider wirklich sehr ferne, denn sie stolperten eigentlich schon über die technischen Probleme des Quartettspielens im G-Dur-Quartett, Hob. HI/75: der Ton war rauh und brüchig, außerdem störten einige Un-sauberkeiten der Intonation. (Zu Haydn eine Bitte an die Veranstalter: Die immer vorbildlich gestalteten Programme mögen in Hinkunft wie an- diesem Abend neben der Hoboken-Nummer auch die alten, unrichtigen Opuszahlen anführen, denn die Wiener Quartettfreunde kennen die Haydnquartette ja ausschließlich in dieser Ordnung!) — Beinahe einen Skandal entfesselte die Aufführung von Lutoslawskis Quartett: Es wurde gelacht, gemurrt und geraschelt und nach Schluß (als einzig vertretbare negative Reaktion also außerhalb der künstlerischen Darbietung) auch heftig „pfui“ und „buh“ gerufen. Dabei ist Lutoslawskis Arbeit zuchtvoll, er führt seine motivischen Elemente klug ein, wandelt sie formklar ab und zeigt genug gestalterische Fantasie. Es ist kein gutes Zeichen für das Niveau mancher Kammermusikfreunde, wenn ein schlecht gespielter Haydn mehr Applaus hat als ein sehr gut gemachtes Werk unserer Zeit.

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