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Theater und Musik am Attersee

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Im Schloß Kammer am Attersee finden, wie in den Notizen der „Furche“ bereits erwähnt, alljährlich im Sommer Kulturveranstaltungen statt. Dank einer rein privaten Organisation kamen heuer drei Kammermusikabende und ein Theatergastspiel zustande. Für mehr als tausend Sommergäste und Einheimische wurden die Besuche in Kammer zum künstlerischen Erlebnis ihrer Ferienzeit. Auch die Praktikanten aus aller Herren Ländern, die im nahen Lenzing zu Gast waren, benutzten eifrig die gebotene Gelegenheit. Die Eintrittspreise sind familiär — und ein Schuß Improvisation verleiht den Abenden im alten Wasserschloß einen melancholischen Reiz.

Aus alten Vorhängen und Paravents des Schlosses war die Bühne aufgebaut, auf der Wittlingers Tragikomödie „Kennen Sie die Milchstraße?“ von Richard Elias und Kurt Weinzierl unter der Regie von Klaus Gmeiner gespielt wurde. Da Publikum, dessen Reaktion auf zeitgenössische Dramatik in diesem Rahmen zunächst nicht vorauszusehen war, ging sichtlich mit und spendete den Pointen mehrmals Beifall auf offener Szene. Besonders Kurt Weinzierl vollbrachte eine komödiantische Bravourleistung, die noch glänzender gewesen wäre, wenn er sie nicht im letzten Akt über die Spitze getrieben hätte.

Enrico Mainardi ist in Kammer Publikumsliebling Nummer eins. Er gab, begleitet von Carlo Zecchi, ein Konzert, dessen Programmwahl zwar konservativ war, aber doch ein wenig Entdecker-(bzw. Wiederentdecker-) Freude verriet. Mainardi wählte nämlich eingangs die a-moll-Sonate von Schubert, ein Stück, das der Komponist einst für Arpeggione geschrieben hatte und das deswegen lange vergessen war. Als kraftvolle Steigerung waren dann Beethovens Opus 102 in D-dur und Brahms' Opus 38 in e-moll zu hören. Die virtuose Darbietung, an der Kenner nur ein etwas herbes A bemerkten, wurde mit herzlichem Applaus aus einem überfüllten Saal quittiert.

Die drei Streicher des Wiener Konzerthaus-Quartetts, Anton Kamper, Karl Stierhof und Ludwig Beinl, bildeten mit dem Pianisten Walter Kamper das Klavierquartett für das zweite Konzert. Ein Jugendwerk von Carl Maria von Weber (Opus 8 in B-dur) diente zur Einstimmung. In den Klavierquartetten, opus 47 in Es-dur von Schumann und opus 25 in g-moll von Brahms, wurde erfüllt, was die Zuhörer sich versprochen hatten: Temperament aus der Präzision. Stürmischer Beifall zwang zur Wiederholung des letzten Brahms-Satzes.

Der Wiener Jörg D e m u s hatte für seinen Abend eine allzusehr auf Effekt bedachte Programmwahl getroffen. Man hörte nur ein einziges größeres Werk, die Sonate in As-dur, opus 110, von Beethoven, neben mehreren Miniaturen, die zwar gut aufgenommen wurden, aber zuwenig Substanz boten. Die vier Impromptus, opus 90, von Schubert, wurden als solche Gaben empfunden, ebenso wie die geistvollen Impressionen der vier kleinen Stücke von Debussy. Bach wäre ein ernster, zur Höhe führender Abschluß gewesen, zumal sich Demus bei diesem Komponisten als Meister erwies. Aber leider folgten, von freudigem Beifall angeregt, auf die Chromatische Fantasie und Fuge und Präludium und Fuge in D-dur zwei Nettigkeiten von Schumann („Aufschwung“ und „Novellette“) und noch die „Ber-ceuse“ von Chopin. “Über ein solches Zerflattern mußte man unglücklich werden.

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