6839436-1975_34_16.jpg
Digital In Arbeit

Von Sigismund bis Olympia

Werbung
Werbung
Werbung

Im Rahmen der feierlichen Wiedereröffnung und Reaktivierung der historischen Münze zu Solbad Hall wird am 27. August d. J. in Anwesenheit von Finanzminister Androsch der erste Olympia-Hunderter aus Silber geprägt. Dadurch wird eine doppelte Auflage der II. Olympia-100-Schilling-Münze ermöglicht, und das in 3,2 Millionen Exemplaren mit dem Münzzeichen des Tiroler Adlers. Weitere 3,2 Millionen Olympiamünzen kommen aus Wien mit dem Münzzeichen „Stadtwappen Wien“. Es handelt sich dabei um keine währungstechnische und finanzpolitische Kleinigkeit! Durch diese Doppelprägung erzielt nämlich Österreich für den Fremdenverkehr einen zweifachen Effekt: eine großangelegte numismatische Werbung für die kommenden Olympischen Winterspiele und eine einmalige Werbung für die alte Stadt Solbad Hall, beziehungsweise Tirol.

Der Verkauf der Münzen im Inland ist zweifellos antiinflationistisch, im Ausland hingegen ein Exporterfolg und Werbung für Österreich mit Hilfe der Numismatik.

Eine Parallele dazu ist den Fachleuten bereits aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, ebenfalls aus Tirol, bekannt, als Silbermünzen aus den Silberminen zu Schwaz an Stelle der früheren Silberausfuhr exportiert worden waren.

Ein Rückblick in die Geschichte dürfte instruktiv sein. Es gibt zunächst einen selbst in numismatischen Kreisen und Museen eingebürgerten Irrtum zu zerstreuen. Der erste Taler der Welt aus Tirol im Jah-Hall und nicht im Joachimstal (Joachims-Taler) — wie allgemein angenommen — geprägt; nur hieß der erste Taler der Welt aus Tirol im Jahre 1486 „Guldiner“ oder „Uncialis“. Der „Guldiner“ bestand aus Silber, um dem Goldgulden eine gleichwertige Münze in Silber entgegenzustellen. Das Verhältnis des Goldgulden zum Guldiner betrug damals l zu 10. Neben der ' ästhetischen und historischen Bedeutung war dies auch in wirtschaftlicher Beziehung ein bedeutendes Ereignis. Durch die Prägung im Inntal wurde neben dem Goldgulden als dessen Äquivalent eine brauchbare Silberwährung geschaffen, die sämtliche europäischen Prägungen und die spätere monetäre Entwicklung auch in Übersee entscheidend beeinflußt hat. Der damalige Export dieser Taler sicherte Tirol einen wesentlichen Anteil an der gesamteuropäischen Wirtschaftsentwicklung. Die Ausfuhr von Kleinmünzen wurde durch den Taler abgelöst. Exportgewinn und propagandistischer Effekt waren im 15. und 16. Jahrhundert gar nicht kleiner als heute. Seither haben die Finanznü-nister aller Länder längst entdeckt, daß der Staat neben den erwähnten Vorteilen einen Extraprägegewmn erzielen kann: beim Eisenhower-Dollar ebenso wie beim Lenin-Rubel!

Aber zurück zum Münzturm von Solbad Hall: Erzherzog Sigismund ließ die erste große Silbermünze prägen, Kaiser Maximilian I. herrliche Schaumünzen, in Wirklichkeit die erste „Europamünze“ der Welt. Kaiser Rudolf II. erdachte den ersten „Alchimistentaler“.

Die letzte historisch gewordene Prägung in Hall fand im Jahre 1809

statt, als der Südtiroler Freiheitsheld Andreas Hofer 20 Kraizer in Millionenwerten bestellt hatte, natürlich weder aus Gold noch aus“ Schwazer Silber, weil die armen Freiheitskämpfer, die Napoleons Armee auf dem Berg Isel geschlagen hatten, darüber nicht verfügten. Auf diesem Kraizer steht: „Gefürstete Grafschaft Tyrol.“ Nicht der Kaiser, sondern das Volk figurierte darauf als Souverän.

Die ruhmreiche Epoche der Inntaler Münze, die in der Burg Hasegg untergebracht war und es heute wieder ist, endete plötzlich im 19. Jahrhundert Die Burg wurde zur Wohnstätte, deren Äußeres immer mehr litt, trotz Bemühungen des Denkmalschutzes, dem nur wenig Geld zur Verfügung stand. Anfang der ^siebzi-ger Jahre unseres Jahrhunderts wurde seitens mehrerer Stellen eine Rettungsaktion für die einst so berühmte und bedeutende Münze gestartet. Als 1975 in einem Teil der Burg systematisch Renovierungen vorgenommen wurden, machte man nicht alltägliche Entdeckungen: so zum Beispiel schöne gotische Dek-ken und historische Wohnräume wie etwa das Fürstenzimmer Kaiser Maximilians I. mit eingebautem WC, was damals als ein Gipfel des fürstlichen Komforts galt

Mit der ersten Prägung von Olympiamünzen, Ende August, im Beisein von Finanzminister Androsch und des Tiroler Landeshauptmannes Wallnöfer endet nicht die neuzeitliche Historie der Haller Münze; vielleicht beginnt eher eine ereignisreiche und entsprechend nutzbringende neue Epoche für sie. Es wäre noch verfrüht, darüber Erwägungen anzustellen, ob der Finanzminister jemals zustimmen wird, daß die mit ausgeliehenem Fachpersonal und modernsten Wiener Maschinen vorübergehend reaktivierte Münze auch nach der Winterolympiade 1976 als ständige Prägestätte in Betrieb gehalten werden kann. Wahrscheinlich ist es einigermaßen problematisch, die Existenz der Haller Münze neben Wien ausreichend zu sichern. Lokalpatriotismus allein könnte die Hindernisse nicht überwinden. Aber seit längerem bemühen sich bereits maßgebliche Stellen und Persönlichkeiten darum: neben der Tiroler Landesregierung die Stadt Hall, die ihre Selbständigkeit und geschichtliche Tradition wahren möchte, mit ihrem agilen Bürgermeister Josef Posch, mit der Tiroler Numismatischen Gesellschaft und derem Präsidenten Ludwig Winkler an der Spitze. Und als guter Geist und Ideenbringer aller Tiroler, mitunter österreichischen numismatischen Plänen und Aktionen der international bekannte numismatische Experte Sigismund Werkner, ein Wahltiroler und ehemaliger Budapester Bankier.

Übrigens hat sich die Numismatische Gesellschaft von Tirol von Anfang an zum Ziel gesetzt, in Hall das erste Technische Münzmuseum der

Welt zu errichten. Museen gibt es überall, wo Medaillen und Münzen in chronologischer Reihenfolge ausgestellt sind: Ein technisches Münzmuseum jedoch nirgends, wo Präge-

Vorgang, Münzwerkzeuge und ähnliches gezeigt werden. Für viele Interessenten wäre das geplante und entstehende Haller Münzmuseum von Interesse und Wichtigkeit. Nebenbei soll ein „numismatisches Zentrum“ in der Burg Hasegg und im Haller Münzturm ins Leben gerufen werden. Das Informationszentrum will dann wirtschaftsgeschichtliche und historische Forschungen begünstigen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung