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Wenn der Geigerzahler tickt...

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Anläßlich ihres 75jährigen „Geburtstages“ haben die Wiener Symphoniker einen Kompositionsauftrag vergeben. Durch Vermittlung Gottfried von Einems ging er an Boris Blacher, dessen ehemaligen Lehrer.

Blacher, Jahrgang 1903, ist im Jänner 1975 gestorben. Diese Komposition war seine letzte. Wie gerne möchte man Gutes darüber berichten. Aber das 20-Minutenwerk, in der Partitur gut „lesbar“ und klar, erweist sich bei der klanglichen Realisierung als ein recht einfallsloses Stück, das trotz seiner geringen Dauer in den langsamen Ecksätzen Langeweile aufkommen läßt. Und dies trotz vielfacher Gliederung des einsätzigen ,Joemes“ in fünf Teile, die zwar in Tempo und Lautstärke kontrastieren, aber trotzdem kein spannungsvolles Kraftfeld bilden. Überraschend der zuweilen quälende Dissonanzenreichtum, den man sonst bei Blacher mit Genugtuung vermißte. Nach dieser Uraufführung erwies sich das Konzert für Klavier und Orchester von Ravel als echter „Herausreißer“: Rudolf Buchbinder war der brillante Solist, der — ganz dem Wunsch Ravels entsprechend — nicht „interpretierte“, sondern nur sorgfältig, bald in raschester Bewegung, im Mittelteil lyrisch ausschwingend, die Noten spielte. — Den 2. Teil des von Carlo Maria Giulini geleiteten Konzertes, in dem auch das Orchester seine Virtuosität zeigen konnte, bildete Schumanns 3. Symphonie, die „Rheinische“. Viel Applaus, besonders für den Solisten.

Unsere Stadt war nie arm an pianistischen Talenten. Anders sieht es — namentlich heute — auf dem Gebiete des Violinspiels aus. Gemeinhin sucht man Nachwuchs immer an der „Pflanzstätte“ Professor Samo-hyls, und dort ist auch heutzutage etwas zu finden. Daß aber auch in anderen „Baumschulen“ aussichtsreiche Jugend steht, bewiesen Konzerte der letzten Zeit. Wenn man weiß, wie mühevoll und lange die Vorbereitung gerade des Geigers ist, muß namentlich die etwas über 15 Jahre alte Klara Flieder geradezu als Phänomen gelten. Die geborene Wienerin entstammt einer hochmusikalischen Familie, in der noch zwei weitere starke Talente heranwachsen, von denen bei Gelegenheit zu berichten sein wird. Sie selbst meistert Bach-sche Solosonaten mit gleicher Bravour wie beispielsweise die berühmte D-Dur-Sonate von Prokofieff; mit der Zeit könnte ihr Spiel noch freier,persönlicher werden, und eine internationale Karriere läge im Bereich des Denkbaren, ähnlich wie bei Elisabeth. Weiß, die im technisch überaus anspruchsvollen Violinkonzert von Sibelius vor allem ihre hohe Musikalität unter Beweis stellte. Nun, diese junge Dame, die ebenfalls geborene Wienerin, hat allerdings auch einen Altersvorsprung von fast einem Dezennium und als Studentin bereits Auslandserfahrung in Amerika gesammelt; ihrem Sonatenabend am 5. März darf man mit Interesse entgegensehen. — Ein „fertigerer“ Geiger ist der Russe Wladimir Spiwakow, allerdings scheinen sich bei ihm auch schon Grenzen seiner Entwicklung abzuzeichnen, und die liegen eindeutig im Musikalischen: kühle Distanz zu Mozart oder auch Brahms lassen ihn beinahe als „Computergeiger' erscheinen, der allerdings seine technische Brillanz mit viel Erfolg in den Dienst von Musik unseres Jahrhunderts (Strawinsky, Schostakowitsch...) stellt. Und schließlich ist die Musikszene vielfältig genug, all das auch brauchen zu können...

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