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Wiener Geschichtsbücher

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Es war eine glänzende Idee des Wiener Zsolnay-Verlages eine Reihe von Büchem herauszugeben, die sidi mit dem Werden Wiens befassen. Die Reihe, deren Herausgeber der Landeskonservator für Wien, Dr. Peter Pötsdiner, ist, soll dreißig Einzeldarstellungen umfassen. In weldien die widitigsten Bauwerke und Plätze der Inneren Stadt und historisch bedeutsame Orte aus der näheren Umgebung monographisch ersdiöpfend behandelt werden. Diese Reihe wird somit eine wirklich erste umfassende Geschichte Wiens darstellen, und nochmals sei es betont, daß sidi hier ein Verlag besondere Verdienste durch seine Tätigkeit erworben hat. Dem Rezensenten liegen zwei der ersten Bände vor, das Werk „Der Hohe Markt" von Richard Perger und das zweite „Der Neue Markt" von Felix Czeike.

Der Band über den Hohen Markt ist von einem Nidit-Fachhistoriker verfaßt, wodurch keinerlei negative Kritik an seinem Werk atisgespro-chen werden soll. Diese Leistung beweist im Gegenteil wie oft in der Gesdiichtssdireibung, daß auch Außenseiter in der Lage sind, hervorragende Gesdiichtswerke zu verfassen. Plastisdi führt der Verfasser die Gesdiidite des Hohen Marktes vor, der sidi einstmals auf den Resten des Römerlagers aufbaute, dann im Mittelalter einer der großen Marktplätze Wiens wurde, auf dem sich durdi Jahrhunderte auch das Stadt- und Landgericht Wiens befand. Im 18. Jahrhundert erfuhr der Hohe Markt eine wesentliche Umgestaltung, die Markt- und Geridits-einriditungen versdiwinden imd der Platz erhielt das vornehm klassizistische Gepräge, verschönt durdi den barocken Josefsibrunnen, der vielen Wienern noch aus der Zeit vor 1945 bekannt ist, bis die Bomben des Zweiten Weltkriegs diesen schönen Platz fast vollständig zeratörten und nur der Josef^runnen Fisdier vcn Erladis als ein einsames Denkmal froherer Sdiönhelt stehen blieb. Besonders erwähnt werden muß eine hervorragende Leistung des Verfassers: über jedes einzelne Haus des Hohen Marktes hat er im Anhang eine ganz genaue Gesdiidite ge-sdirleben. Nur der Fadihistoriker wird hier ermessen können, weldie enorme Leistung hinter einer solchen Arbeit steckt. Der „Neue Markt" hat zum Unter-sdiied vom „Hohen Markt" eine viel jüngere Vergangenheit. Er entstand im 13. Jahrtiundert im Zuge der Stadterweiterung Leopolds VI. als Endpunkt der vom Süden nadi Wien führenden Femhandelsstraße. Er war in erster Linie Markt, der durdi viele Herbergen und Gasthöfe begrenzt war. Bald wurde er audi ein Zentrum höfischen Lebens. Hier fanden die Turniere unter dem Titel „Reiten und Stedien" statt. Der „Neue Markt" entwidtelte sidi mit der Zeit zu einem ausgesprochenen Mehl- und Bädterzentrum Wiens, auf welchem sich auch die sogenannte „Mehlgrube" befand, ein Gebäude, in dem die städtischen Auf Sichtsorgane ihren Sitz hatten. Im

18. Jahrhundert wandelte sidi der Platz zu einem Vergnügungszentrum Wiens. Viele Komödianten, darunter Stranidcy, schlugen auf dem Platz ihre Hütten auf, der Hof, insbesondere unter Maria Theresia, veranstaltete hier grandiose Sdilitten-fahrten. Weitere Bedeutung gewann der Platz, als die Kapuziner auf ihm eine Niederlassung errichteten und in ihrer Kirche die Habsburger ab 1619 ihre Familiengruft errichteten. Von den vielen schönen Häusem stehen nodi einige wenige. Auch hier hat der zweite Weltkrieg viel Schaden angerichtet, aber noch mehr das

19. Jahrhundert, das mit völliger Instinküosigkeit Praditbauten wie das Sdiwarzenbergpalais oder die Mehlgrube beseitigte.

So bieten diese beiden ersten Bände für jeden Liebhaber der Gesdiidite Wiens einen Anreiz, sich auch dem Genuß der in Zukunft ersdieinenden Bände zuzuwenden, die ein Glanzstück jeder Bibliothek bUden werden.

DER NEUE MARKT. Von felix Czeike. Paul-Zšolniy-Verlag,Wieri-Hamhurg. 125 Seiten, 16’AbbiZdun-gen, S 120.—.

DER HOHE MARKT. Von Richard P er g er. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien-Hamburg. 140 Seiten, 14 Abbtldun-gen, S 120.—.

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