7018113-1988_34_10.jpg
Digital In Arbeit

Wo die Mozartkugel rollt

Werbung
Werbung
Werbung

„Und ... nee, warten Se mal, ja, und noch'ne Tüte Mozartkugeln.“, sagt der Gast aus dem Norden, eben mit einer Herde weiterer Touristen einem Bus entquollen und auf die Innenstadt losgelassen.

„Die gehn gut?“ frage ich die Verkäuferin, nachdem sie alle Wünsche nach Mozartkugeln erfüllt hat.

„Ich sage Ihnen“, sagt sie, „ein Dauerbrenner. Aber saisonbedingt, Im Sommer verkaufen wir dreimal so viel wie im Winter.“

„Auch Mozarttaler?“

„Auch, alles, was mit Mozart zusammenhängt, der .Bachwür-fel' hat sich längst noch nicht so herumgesprochen, obwohl er sehr gut ist.“

„Auch das da?“ frage ich und deute auf einen gräßlichen kalkweißen Kopf auf schwarzem Sok-kel.

„Auch Mozart-Porträtbüsten“, sagt sie und nickt.

„Aber was machen die Leute damit?“ Sie zuckt die Schultern.

„Vielleicht aufs Klavier stellen.“ Man sieht ihr an, daß sie froh ist, weil sie dafür nicht verantwortlich ist.

Auf, zum nächsten Souvenir-Geschäft.

Auch hier: alle Greuel dieser Erde.

„Geht denn das noch?“ frage ich und deute auf eine bunte Horde gärtnernder und musizierender Gartenzwerge — aus Plastik.

„Davon könnten wir leben“, versichert der Besitzer, „da sind die Amerikaner ganz wild drauf. Und nicht nur die. Gartenzwerge sind einfach international, Bierseidel hingegen“, setzt er bekümmert hinzu, „die ziehen nicht mehr. Früher konnten wir nicht genug davon herbeischaffen.“

„Vielleicht hat jeder schon eines oder zwei“, sage ich. Er macht ein Gesicht, als sei das albern, als könne man nicht genug Bierseidel haben.

„Und die da?“ frage ich und deute auf die „Hummel-Figuren“, nicht aus Plastik, sondern aus bemalter Keramik.

„Die,..?“ der Souvenir-Spezialist ringt sichtlich mit sich, „was soll ich sagen ... die gingen schon mal besser, aber ganz ausgehen lassen kann man sie nicht. Wer was fürs Gemüt braucht, kauft die noch immer.“

Da sitzen, stehen und liegen sie, ein Mädel und ein Bub, mit und ohne Regenschirm, aber immer mit treuherzigem Gesichtsausdruck.

Auf, zum nächsten Souvenirgeschäft.

Das kenne ich gut, weil ich hier öfter Gewürz-Sträußerl gekauft habe. Die großen Körbe voll Sträußerl stehen nicht mehr am Eingang. Statt ihrer Galerien von T-Shirts mit Aufschriften wie „Salzburg“, „Austria“ oder „Uni-versity of Salzburg“, auch lange Stangen, an denen Taschen hängen, billiger Druck, der Petit Point-Stickerei nach alten Motiven vortäuscht. Ich suche die Körbe.

„Sind die Sträußerl ausgegangen?“ frage ich die Verkäuferin. Sie führt mich weit nach hinten in die dunkelste Ecke des Geschäfts. Da stehen sie auf dem Abstellgleis.

„Die will keiner mehr. Früher waren die Leut' rein narrisch darauf.“

„Und jetzt?“

Sie zeigt auf die T-Shirts. „Was Praktisches wollen sie. Was zum

Anziehen — und Taschen, Taschen. Ich hatt' meinen Vertreter beauftragt, mir diese Taschen zu liefern, und er bringt mir versehentlich fünfmal so viel wie bestellt. ,Um Himmels Willen', hab ich gesagt. Aber er hat gesagt: .Jede Tasche, auf der sie sitzenbleiben, nehm ich zurück.' Er hat keine zurückzunehmen brauchen.“

„Und sonst?“ frage ich und sehe auf zu den gläsernen Kugeln, die hundertstückweis von der Decke herabhängen, Glöckerl und Kugerl und Mascherl und Blumerl und Silberperlen und...

„Die Italiener...“ sagt sie und fährt fort, „die kaufen gern so was...“ Ich betrachte die Pracht in Himmelblau, Babyrosa, Lindgrün und Schwachlila.

„Ausgerechnet das?“ frage ich. Sie nickt und beteuert: „Die Italiener lieben... diese Art.“

Sie vermeidet es, sich deutlicher auszudrücken. Ich nehme ihr's ab:

„Also am Kitsch wird's Geld verdient?“ Sie hebt wie entschuldigend die Schultern und deutet ein Lächeln an, das um Nachsicht bittet. (Ob für sich, die diese Souvenirs anbietet, oder ob für die passionierten Käufer, bleibt ungeklärt.)

Ich sehe mich um: „Mozartkugeln führen Sie nicht?“ Sie zuckt zusammen.

„Sehn Sie, das war's. Mozartkugeln muß ich bestellen. Wir waren ja bisher eher auf dekorative Souvenirs spezialisiert, T-Shirts und Taschen, das ist verhältnismäßig neu. Jetzt haben wir's unlängst zum ersten Mal auch mit Mozartkugeln versucht. Ein Riesenkorb voll. Im Handumdrehen war er leer. Also Mozartkugeln, ich sage Ihnen: ein Dauerbrenner ...“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung