Online-Psychologie - © Foto: iStock / Victoria Volchenkova (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Psychotherapie in Corona-Zeiten

19451960198020002020

Die Corona-Pandemie hat die Psychotherapie ins Internet verlagert. Nun ist es an der Zeit, die Regelungen für Online-Behandlungen zu liberalisieren. Ein Gastkommentar.

19451960198020002020

Die Corona-Pandemie hat die Psychotherapie ins Internet verlagert. Nun ist es an der Zeit, die Regelungen für Online-Behandlungen zu liberalisieren. Ein Gastkommentar.

Werbung
Werbung
Werbung

Von den steinzeitlichen Geistern bis zu den digitalen Errungenschaften unserer Zeit: Nicht nur „die Seele ist ein weites Land“, wie Arthur Schnitzler einmal meinte, sondern weit und vielfältig ist auch die Weise, wie die Leiden der menschlichen Psyche bisher behandelt wurden. Das weite Land der Seele ist im Laufe der Geschichte von Philosophen, Schamanen, Priestern, Seelsorgern, Psychotherapeuten und vielen anderen bestellt worden, die sich alle für das Wohl der menschlichen Innenwelt zuständig fühlten. Dem herrschenden Weltbild der jeweiligen Zeit verpflichtet, waren daher auch die Mittel und Methoden höchst vielfältig, mit denen man glaubte, den seelischen Störungen und Verletzungen beizukommen. Im Zeitalter der Digitalisierung, in dem nahezu alles über das Internet abgewickelt wird, wundert es daher nicht, dass Psychotherapie zusehends auch über onlinebasierte Videositzungen stattfindet.

Deutschland als Vorbild

Die Corona-­Pandemie zeigt überdeutlich, welchen Vorteil es hat, wenn Psychotherapien nicht nur in der Ordination, sondern auch über Telefon oder Video sitzungen stattfinden. Nämlich: Man kann Patienten unkompliziert, schnell und jederzeit psychotherapeutisch versorgen. Diese Möglichkeit gibt es in Österreich nun erstmals seit Mitte März, als die Krankenversicherungsträger anlässlich Covid-­19 beschlossen, die Kosten für Online­Psychotherapien vorübergehend voll zu übernehmen oder über Zuschüsse mit zu finanzieren. Vor der Pandemie war dies explizit nicht erlaubt. So argumentierte eine vom Gesundheitsministerium herausgegebene Internet­-Richtlinie noch damit, „dass das spezifische Setting der Psychotherapie und die damit eng verbundenen Voraussetzungen für die Gestaltung der psychotherapeutischen Beziehung via Internet nicht ausreichend gegeben sind“. Wer internationale Studien zur Wirksamkeit und Beziehungsgestaltung von psychotherapeutischen Videositzungen kennt, würde nicht nur empfehlen, diese Richtlinie zu adaptieren.

Vielmehr würde man sogar darauf pochen, dass es aus Gründen der therapeutischen Versorgung auch in Nicht-­Corona-­Zeiten sinnvoll wäre, hier liberalere Gesetze zu erlassen. Wer etwa im Kleinwalsertal in Vorarlberg lebt, traumatisiert ist oder ein Suchtproblem hat und eine Verhaltenstherapie oder Psychoanalyse bei einem österreichischen Therapeuten machen möchte, müsste einen halben Urlaubstag nehmen, um zu seiner Behandlung zu kommen. Drei Stunden dauert die Autofahrt vom Kleinwalsertal nach Bregenz und retour, wo man die ersten Therapeuten mit dieser Spezialisierung findet. Dort würde man dann eine weitere Stunde in Behandlung zubringen. Ist das zumutbar und in Zeiten der Digitalisierung noch sinnvoll? Oder sollte man in Österreich nicht auch den Weg gehen, den Deutschland bereits 2019 eingeschlagen hat und der therapeutische Videositzungen ermöglicht? Deutsche Psychotherapeuten mit Kassenvertrag können 20 Prozent ihrer Therapien als Videositzungen abhalten. Natürlich wird der Goldstandard der Psychotherapie immer die Face­-to­-Face-Sitzung sein, wie die deutsche Berufsvereinigung unlängst betonte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung