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Die Aufbauschule

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Im Mittelschulgesetz vom Jahre 1927, der gesetzlichen Grundlage unseres gegenwärtigen Schulsystems, war auch die versuchsweise Errichtung von Aufbauschulen vorgesehen. Die entsprechende Verordnung des Bundesministeriums für Unterricht vom Jahre 1928 besagt im § 1:

„Die Aufbauschulen haben den Zweck, befähigte Schüler, die erst nach Voll-j endung der Schulpflicht in die Lage kommen, in das Mittelschulstudium einzutreten, in einem besonders eingerichteten fünfjährigen Studiengang zum Bildungsziel der Mittelschule zu führen.”

Dieses Bildungsziel wird in der Vermittlung einer höheren Allgemeinbildung und der Hochschulreife sowie in der Entwicklung der geistigen, körperlichen und sittlichen Kräfte gesehen. Auf diesem gesetzlichen Fundament wurde am 25. Oktober 1928 der erste Jahrgang einer Aufbauschule am Bundesgymnasium in Horn, Niederösterreich, eröffnet. Damit erhielt Österreich seine erste und einzige Aufbauschule.

Diese neue Schultype sollte für die Spätberufenen der Landbevölkerung dieselbe Aufgabe erfüllen wie die Arbeitermittelschulen in Linz und Graz für die Arbeiterschaft der Industriegebiete: begabten Kindern aus dem Volk, die aus irgendwelchen Gründen nicht zum Studium an den regulären Mittelschulen gekommen waren, eine entsprechende Aufstiegsmöglichkeit zu geben. Die Arbeitermittelschulen waren gleichfalls an reguläre Mittelschulen angeschlossen und dauerten neun Halbjahre. Der Unterricht fand in den Abendstunden statt; dadurch unterschieden sie sich nicht wesentlich von den anderen Fortbildungsmöglichkeiten der großen Städte, den Volkshochschulen, Maturaschulen, Abendgymnasien usw., denen sie jedoch durch zielbewußte Auslese und Organisation überlegen waren.

Schon die äußere Organisation der Aufbauschule war verschieden: das Studium dauerte fünf volle Schuljahre mit regulärem Schulbetrieb, also Tagesunterricht. Die Schüler waren grundsätzlich in einem Internat — nach Art eines Landerziehungsheimes — untergebracht.

Man konnte sich bei uns auf die Erfahrungen stützen, die man mit dieser Schultype in Deutschland gemacht hatte. Dort war sie in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg, wie dann auch bei uns, aus dem Gedanken der sozialen Gerechtigkeit für begabte Kinder in Dorf und Kleinstadt entstanden. Um ihre Verbundenheit mit dem Land zu erhalten, verlegte man, in Deutschland die Schulen — 1928 waren es deren schon 155! — vorwiegend in Kleinstädte unter zehntausend Einwohner. Als Ideal wurde das Internat angesehen, der Schultyp war meist der der deutschen Oberschule. Die Forderung nach Aufbauschulen des gymnasialen Typs und nach Einführung der philosophischennicht mit falschem Flitter behängt und pompös, aber seine Einfachheit ist wunderschön. Eine unbezähmbare Phantasie hat ihr stets die Feder geführt. Noch ein Jahr vor ihrem Tode schreibt sie an ihre Freundin Elise Rüdiger, daß sie aus allen Kräften dagegen ankämpfen muß. „Jede etwas unebene Stelle an der Wand, ja, jede Falte im Kissen bildet sich mir gleich zu mitunter recht schönen Gruppen aus, und jedes zufällig gesprochene, etwas ungewöhnliche Wort steht gleich als Titel eines Romans oder einer Novelle vor mir, mit allen Hauptmomenten der Begebenheit … Gott, dürfte ich jetzt schreiben, das heißt diktieren, wie leiht würde es mir werden.” Aber das mußte der Kranken versagt werden und bleiben. Sie war nah Meersburg niht mehr gekommen, um täglih ein neues Gedicht zu schreiben, das einer „wunderlichen Spätliebe” entsprang, sondern um — es ist jetzt, am 24. Mai, gerade 100 Jahr her — für ewig auszuruhen.

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