Herzschlag eines Mitfühlenden

Werbung
Werbung
Werbung

Telefonamt - es wünscht Sie jemand zu sprechen." Normalerweise lasse ich mich so nicht verbinden, aber ich hatte gerade Zeit - also sagte ich, ja bitte, verbinden sie. Eine Frauenstimme: "Sie kennen mich nicht, ich will auch nichts von Ihnen, aber ich kenn' Sie, lese Ihre Artikel, Sie gehören quasi zur Familie und ich muß mit jemandem sprechen." "Wie kann ich Ihnen helfen?" "Zuhören, nur zuhören! Mein Mann nämlich, er ist behindert, wir leben von einer kleinen Rente, 40 Jahre sind wir in der Partei, aber die haben uns nicht einmal angehört. Die Stadt, wir sind so allein, so verzweifelt und maßlos enttäuscht. Das muß ich Ihnen sagen, weil ich das Gefühl habe, daß Sie uns verstehen. Sie schon, aber sonst, verzeihen Sie, diese Idee, Sie anzurufen, weil, wie gesagt, Fernsehen und so ..."

"Wie heißen Sie, gnädige Frau?" "Das tut nichts zur Sache, ich wollte nur reden, danke" - aus.

Ich war wie erschlagen, gibt's denn das, daß in unserem Land, in der Stadt des Goldenen Wiener Herzens (!) so etwas passieren kann, daß man sich an einen Unbekannten wendet, weil man sonst kein offenes Ohr findet. Ich bin nicht willig, so etwas zu glauben. Sozialstaat, soziale Wärme, Bürgernähe, Parteigenossenschaft, Loyalität, mein Gott, das können doch nicht nur leere Worte sein, nicht nur Wahlparolen und Sager. Caritas, Volkshilfe und wie sie alle heißen, das ist scheinbar doch zu wenig. Ein Herzschlag eines Mitfühlenden ist wichtiger oder wenigstens genauso wichtig wie ein Carepaket oder eine Decke für Erdbebenopfer.

Wir helfen, wo es nur geht und das ist richtig so. Bosnien, Sri Lanka, Biafra und Friaul. Nur dort, wo Helfen Tat, Wärme und zehn Minuten Zeit kostet, da soll es nicht klappen? Der Nachbar wartet auf Deine Hand, auf Deine Stimme, Deinen Zuspruch. Auch zu zweit kann man allein sein. Alleingelassen-Sein, das hat das Telefongespräch gezeigt. Ein Telefongespräch, das mich mehr ergriffen hat als all die oft künstlich hochgespielten Ereignisse der letzten Zeit zusammengenommen. Es ist spürbar kälter geworden in Österreich, das Klingeln der Kassen hat unsere Herztöne unhörbar gemacht.

Und Sie, wie denken Sie? Sollen wir aufhören zu fordern und endlich anfangen zu geben ...?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung