6580889-1951_17_03.jpg
Digital In Arbeit

Von der Verbreiterung zur Atomisierung des Unterrichts

Werbung
Werbung
Werbung

Und nun muß wohl die Bitte ausgesprochen werden, nicht sofort den Stab über die österreichische Unterrichtsverwaltung seit 1918 zu brechen, sondern ruhig zu überlegen, wie es zu diesem Zustand gekommen ist. Es würde weit über den Rahmen dieser Betrachtung hinausgehen, wollte man bis ins Kleinste den Gründen nachgehen. Es mag der Hinweis genügen, daß die halsbrecherische Entwicklung auf dem naturwissenschaftlichen, physikalischen und insbesondere ouf dem chemischen Gebiete zunächst eine stärkere Betonung dieser Fächer notwendig machte. Die Forderung nach dem Einbau von notwendigen Fremdsprachen und Fertigkeiten, die Berücksichtigung der musischen Fächer erforderten einen wesentlichen Zuwachs an Gegenständen, der wieder teils eine Umstellung in den den einzelnen Fächern bisher zugedachten Stundenzahlen, teils eine Erhöhung für das eine oder andere Schuljahr zur Folge hatte. Das Hinzukommen neuer Lehrgegenstände machte es notwendig, daß zum Beispiel im Gymnasium dem Unterricht in den alten Sprachen Stunden weggenommen und zur Ermöglichung der Führung anderer Gegenstände verwendet wurden. Schien dies dort zunächst noch tragbar, obwohl sich die gediegene Grandlage für den klassischen Sprachunterricht wesentlich verschmälerte, so führte diese Maßnahme andererseits zur Einführung von einer Fülle von Gegenständen mit nur geringen Unterrichtsstunden sowohl im Gymnasium wie auch in allen anderen Mittelschultypen, die Schüler und Lehrer gleich belasten und allmählich geradezu • ine Atomisierung des Unterrichtes herbeiführen. Dabei war es bisher und ist es auch derzeit unmöglich, den für jedes Jahr „vorgeschriebenen“ Lehrstoff zur Gänze zu erledigen, ein Umstand, der erfahrungsgemäß für jeden gewissenhaften Lehrer eine schwere Beunruhigung, für den Unterricht eine Öbejgroße Hast mit sich bringt.

Dazu kommt noch ein: gewichtiges Moment:

Während die Volksschule den großen Vorteil der Führung des Gesamtunterrichtes durch einen einzigen Lehrer vorsieht, wodurch die Erfüllung der Erziehungsaufgabe in diesem Schulalter gesichert erscheint, geht bereits beim übertritt in die erste Klasse der Hauptschule, insbesondere aber der Mittelschule, durch die Vielzahl der Fachlehrer, die in der letzteren in den oberen Klassen schließlich bis zu 12 und 15 geht, die Einheitlichkeit der Persönlichkeitswertung x des Schülers verloren. Diese Eigenartigkeit des Unterrichtes bringt es mit sich, daß die Wichtigkeit einzelner Gegenstände — oft sind es solche mit nur wenigen Stunden — von den Fachlehrern aus der hohen Auffassung ihrer Gegenstände, aber auch aus Ehrgeiz besonders betont wird und der Unterricht in anderen Gegenständen darunter leidet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung