Schatten4 - © Bild: Rainer Messerklinger / dall·e / Prompt: 90s photo of hands doing shadow play

Sevgi Özdamar und die Grenzen des Exils

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Der Roman „Ein von Schatten begrenzter Raum“ der türkisch-deutschen Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar bedient sich einer jahrtausendealten Metapher mit einer Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht.

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Der Roman „Ein von Schatten begrenzter Raum“ der türkisch-deutschen Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar bedient sich einer jahrtausendealten Metapher mit einer Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht.

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Zu Beginn gibt es nur einen Esel, die „Orthodoxkirche“ und die blinde Frau. Die Icherzählerin findet sich in Emine Sevgi Özdamars Roman „Ein von Schatten begrenzter Raum“ (Suhrkamp 2021) in einer mystischen Traumwelt wieder. Immer tiefer dringt sie in die Nacht ein, in die „dunkelsten Ecken ihrer Erinnerungen“ und in dieses „Etwas“, das sich zwischen der Kirche, der Blinden, dem Esel und ihr befindet. Sie kann es nicht greifen, es hat sich „in der Luft leise verteilt“.

Mit ihrem autobiografisch geprägten Roman hat die türkisch-deutsche Schriftstellerin Özdamar eine weitere Geschichte des Exils, der Zerrissenheit zwischen Herkunftsland und neuer Heimat sowie des Nationalismus in die Literaturwelt gesetzt. Dabei bedient sie sich der Schattenmetapher, die bereits zu Beginn des Buches erahnen lässt, dass es sich um einen großen Roman im Nachkriegseuropa handeln muss. Denn wer „Schatten“ in seinen Titel setzt, hat Großes vor. Mit diesem Wort darf man keinen Unsinn treiben. Schließlich bedeutet Schattenexistenz auch, sich zu verstecken (siehe S. 2). Hier befindet man sich schnell im Zweiten Weltkrieg und bei den untergetauchten Juden und Jüdinnen. In der Poesie wird Schatten als Andeutung von etwas so Unheilvollem verwendet, dass das Wort jungen Poeten von Lektoren und Lektorinnen gerne schnell herausgestrichen wird. Es sei zu mächtig für die heutige Zeit. Ein Begriff aus der Vergangenheit?

„Du murmelst eine fremde Sprache“

Özdamars lyrischer Roman spielt in ihrer Zeit und handelt unter anderem vom türkischen Militärputsch 1971 – einem von vielen und einem, bei dem das Militär erfolgreich war. 1976 verlässt die Schriftstellerin tatsächlich die Türkei, da sie als Mitglied der Arbeiterpartei im vom Militär beherrschten Land keine Zukunft mehr sieht. Sie geht nach Berlin und lebt von da an mit ihrem kulturellen Schatten, dem märchenhaften, geheimnisvollen, das ihrem Schreiben Identität verleiht. Die 1946 geborene Özdamar schreibt aber auch über den kulturellen Austausch, Verständigung durch Kunst. Man trifft sich, um die ganze Nacht über Shakespeare zu diskutieren oder Godard. Vagabundiert von Wohnung zu Wohnung, trifft überall auf befreundete Künstlerinnen und Intellektuelle.

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