7113925-1996_08_07.jpg
Digital In Arbeit

Doppelbödige Spendenwirtschaft

19451960198020002020

Mit dem Slogan „Jeder Schilling zählt" wirbt eine in Tirol ansässige Spendenorganisation mit dem Namen „Die Schwestern Maria". Die Krux an der Sache: Weniger als die Hälfte der Spenden kommt tatsächlich den Armen zugute.

19451960198020002020

Mit dem Slogan „Jeder Schilling zählt" wirbt eine in Tirol ansässige Spendenorganisation mit dem Namen „Die Schwestern Maria". Die Krux an der Sache: Weniger als die Hälfte der Spenden kommt tatsächlich den Armen zugute.

Werbung
Werbung
Werbung

Ob der Titel der Fernsehreihe j,Wie gut, daß es Maria gibt" auch für die in Innsbruck ansässige Spendenorganisation „Die Schwestern Maria" zutreffend ist, bleibt fraglich. Im Zeitraum vom 1. April 1994 bis zum 31. März 1995 erlangte diese Organisation Spenden-einnahmen in der Höhe von 23,7 Millionen Schilling. Davon wurden für die Werbung neuer Spender, die Information treuer Spenderseelen und nicht zuletzt für Vereinskosten 13,4 Millionen Schilling ausgegeben. Übrig blieb als reiner Spendenerlös, der armen Kindern auf den Philippinen, in Südkorea und Mexiko zukommen soll, ein Betrag von 10,250.628 Schilling. „Die karitativen Spenden dieses Vereins werden somit um mehr als die Hälfte geschmälert. Unberührt davon werben „Die Schwestern Maria" mit dem Motto „Jeder Schilling zählt", gibt Wolfgang Mischitz vom Weltanschauungsreferat der Diözese Innsbruck zu bedenken.

Mischitz, der in der Diözese Innsbruck für Auskünfte über religiös motivierte Spendenorganisationen zuständig ist, bezeichnete die Spenden-Wirtschaft der „Schwestern Maria" bereits 1992 in einem Artikel für die Tiroler Kirchenzeitung als „niederschmetternd". Der* Grund für dieses nicht sehr schmeichelhafte Eigenschaftswort: Im Zeitraum zwischen 1. April 1991 und 31. März 1992 sammelte der Verein über 25 Millionen Schilling an Spendengeldern in Österreich und verwendete für Werbung und Verwaltung sage und schreibe 19 Millionen. In einer Beak-tion im Mitteilungsblatt der „Marienschwestern" wurde dem entgegengehalten: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem (bösen?) Nachbarn nicht gefällt, befand schon Friedrich Schiller. Seitdem die Marienschwestern auch in Österreich um Unterstützung bitten, sieht sich das Hilfswerk daselbst der Anfeindung ausgesetzt. Ein Sektenreferent (!) der Kirche befindet das Ergebnis der bisherigen Tätigkeit als niederschmetternd."

Und weiters wurde im selben Text betont: „Die Dreinrede selbsternannter Richter und ihre eifernde Wichtigtuerei macht die Hungrigen nicht satt." Apropos „satt machen": Bei der derzeitigen Spendenverwendung des Vereins gelangen von gutgläubig gespendeten 100 Schilling gerade 43 Schilling zu jenen Kindern und obdachlosen Menschen in den Elendsquartieren der Philippinen und Mexikos, die es tatsächlich dringend notwendig brauchen würden.

Die „Schwestern Maria" sind laut ihrer Eigendefinition „eine unabhängig christlich-humanitäre Einrichtung zur Armenfürsorge in der Dritten Welt". Gründer dieses Hilfswerkes - sowie einer auf den Philippinen, in Südkorea und Mexiko wirkenden Frauenkongregation - ist der Amerikaner und katholische Priester Aloysius Schwartz.

Als Theologiestudent in Löwen (Belgien) lernte er Koreaner kennen und fand dann auch einen koreanischen Bischof, der ihn zum Priester weihte. In seiner Seelsorgetätigkeit für Waisenkinder auf den Philippinen, so wird es in einem Mitteilungsblatt erzählt, habe Schwartz auch mit Frauen zusammengearbeitet und so kam es zur Idee der Gründung der katholischen Frauenkongregation „Die Schwestern Maria". Schwartz starb 1992 in Manila. Seine Nachfolgerin wurde die Ordensfrau Schwester Michaela Kim.

Für Wolfgang Mischitz liegt das Problem nicht bei der Frauenkongregation, sondern beim gleichlautenden Spendenverein, der mit kirchlichen Inhalten werbe, aber mit der katholischen Kirche nichts zu tun haben will.

Diese Doppelbödigkeit der in Innsbruck ansässigen Spendenorganisation stößt nicht nur bei Mischitz auf Unverständnis. Von einem Wiener Leserbriefschreiber wurde darauf hingewiesen, daß die „Schwestern Maria" ohne Anerkennung und Zustimmung der zuständigen Obrigkeiten - gemeint waren Bischof und Generalvikar von Innsbruck - agieren würden. Die Antwort von Klaus Pro-chazka, dem Schriftleiter der Spendenvereinszeitung „Unsere Freunde", lautete: „Die Autorität, die wir höher achten als jede andere, ist die des Bedürftigen in seiner Not".

Bei allem Bespekt für dieses edle Ansinnen bleibt für Mischitz nur noch eine zentrale Frage: „Was geschieht mit jenen Millionen, die nie zu den Bedürftigen kommen?"

Transparenz nach außen scheint den „Schwestern Maria" - zumindest was die Verwaltung der Spendengelder betrifft - nicht unbedingt ein großes Anliegen zu sein. Seit der Veröffentlichung des Tätigkeitsberichtes von 1991/92 hat das Hilfswerk dem Weltanschauungsreferat der Diözese Innsbruck keinen weiteren Jahresbericht mehr zugänglich gemacht. Der aktuelle Jahresbericht, aus dem hervorgeht, daß die karitativen Spenden nach wie vor um mehr als die Hälfte geschmälert werden, wurde dem Referenten für Weltanschauungsfragen nicht von der Spendenorganisation „Schwestern Maria", sondern von der Sicherheitsdirektion des Landes Tirol zur Verfügung gestellt.

Der Autor ist freier Journalist in Innsbruck

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung