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Ein schwarzer Gandhi leckt Blut

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Nach knapp fünf Monaten Unabhängigkeit hat die Republik Äquatorialguinea — das ehemalige Spanisch-Guinea— bereits die erste große politische Krise überstehen müssen. Außenminister Atanasio Ndongo versuchte, zusammen mit dem guineanischen UNO-Delegierten Sa-turnino Ibongo und einigen Anhängern, die Staatsführung durch einen unblutigen Handstreich an sich zu reißen und Präsident Francisco Macias Nguema auszuschalten. Allein, es blieb bei dem Versuch: Macias und eine Handvoll Getreuer überraschten die Verschwörer, die bereits den derzeitigen Sitz des Präsidenten in Bata besetzt hatten und schlug sie in die Flucht. Vom im ersten Stock des Palastes gelegenen Küchenfenster aus sprang der Außenminister in den Hof und brach sich beide Oberschenkel. Ibongo, der zusammen mit anderen Verschwörern verhaftet wurde, hat sich, so behauptete Macias der Auslandspresse gegenüber, im Gefängnis vergiftet. Der Politiker Armando Baiboa, der ebenfalls verhaftet wurde, ist soeben an Wurmbrand gestorben. Niemand weiß heute, wieviel Guineaner der Präsident verhaften ließ, noch in welchem Zustand sie sich befinden. Zwei spanische Offiziere, der Leutnant Manuel Barros Campo und der Marineinstrukteur S'lvino Queipo Abad, die auf Grund des provisorischen spanisch-guineanischen Abkommens der guineanischen Nationalgarde zur Verfügung gestellt wurden, werden von Präsident Macias der Komplizität beim Putschversuch angeklagt. Beide wurden schwer mißhandelt und bei einer vom Präsidenten und seiner Regierung in Bata für die Auslandspresse veranstalteten Schau der bei Spaniern konfiszierten Waffen vorgeführt. Sie stritten glaubhaft jegliche Schuld an dem Komplott ab. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß der Präsident diese beiden Offiziere benutzt, um seine These über die Verantwortung Spaniens an dem Umsturzversuch zu untermauern. „Alles war von einer fremden Macht vorbereitet“, und „ich schiebe die Schuld der spanischen Regierung zu“, erklärte Macias. Insbesondere aber richtet sich seine Anklage gegen ausländische kapitalistische Gruppen, also Holzhändler und andere spanische Großunternehmen,von denen man weiß, daß sie die Wirtschaft des Landes monopolisiert hatten.

Doch die Folgen des Putschversuchs blieben nicht allein auf Regierung, Politiker und Sündenböcke beschränkt. Die „Juventud de Guinea“, eine noch jeglicher Organisation entbehrende revolutionäre Jugendbewegung, nahm auf eigene Faust die Verfolgung der Sympathisanten des Außenministers und der Spanier auf. In Horden durchstreiften sie Santa Isabel, Bata und das Landesinnere Rio Munis, verprügelten Weiß und Schwarz und nahmen willkürlich und unbefugt Verhaftungen vor. Die Tausenden weißer Spanier, die nach der Unabhängigkeit im Lande zurückgeblieben waren und fast durchweg der Mittelklasse angehölen, flüchteten nach Bata . und Santa Isabel, suchten Schutz bei den in beiden Städten zurückgebliebenen -und von der Außenwelt abgeschnittenen reduzierten spanischen Polizeikompanien — je 120 Mann — und versuchten per Flugzeug oder Schiff Spanien zu erreichen. — Den meisten mag es gelungen sein. Macias kam es jedoch zum Bewußtsein, daß sein Land ohne spanische Verwaltungskräfte, ohne spanische Plantagenaufseher und ohne spanische Kaufleute dem wirtschaftlichen Ruin und dem Verwaltungschaos ausgeliefert ist. Die Guineaner waren ratlos, gaben sich dem Nichtstun und, soweit der Vorrat reichte, dem Trunk hin.

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