Ivdiivka - © Foto: Lana Yanovska

Ostukraine: „Wir können nicht jeden Tag Angst haben“

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Die Kleinstadt Awdijiwka ist zum Symbol für den Krieg in der Ostukraine geworden. Kaum eine Stadt wurde so schwer beschädigt. Trotzdem kehrten viele Bewohnerinnen wieder zurück.

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Die Kleinstadt Awdijiwka ist zum Symbol für den Krieg in der Ostukraine geworden. Kaum eine Stadt wurde so schwer beschädigt. Trotzdem kehrten viele Bewohnerinnen wieder zurück.

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Die Erde im Donbas ist ungewöhnlich schwarz und fruchtbar. Doch je näher man der Frontlinie kommt, desto öfter liegt der Boden brach. Die rostigen Maschinen auf diesen Flächen sehen aus, als würden sie nicht mehr funktionieren. Vereinzelt zieht ein weißer Geländewagen der OSZE-Beobachtermission an der Landschaft vorbei, an den pyramidenartigen Kohlebergen, auf deren Gipfel eine ukrainische Fahne weht, und den Hektaren an Feldern, die sich sanft heben und senken. Hier, vier Kilometer von der Frontlinie entfernt, befindet sich die Kleinstadt Awdijiwka.

Die Lokaljournalistin Vera Khomenko erinnert sich an die vielen Male, bei denen die Fenster ihrer Wohnung wackelten, weil eine Granate in der Nähe der Stadt eine ­Explosionswelle ausgelöst hat. „Man kann es sich so vorstellen“, sagt die 33-Jährige nüchtern, zückt ihr Smartphone und zeigt ein Video. Auf der Aufnahme sieht man den strahlend blauen Himmel an einem Nachmittag im Mai 2019. Dann sind Geschütze zu hören, und Khomenkos Töchter, heute vier und acht Jahre alt, die panisch schreien und weinen. „Die ältere Tochter erinnert sich noch daran, was Frieden bedeutet. Mit der Kleineren spreche ich noch nicht über den Krieg.“

In der Ukraine ist Awdijiwka zum Symbol für den Krieg geworden. Kaum ein Haus, das bei den Kämpfen und Eskalationen nicht beschädigt wurde. Laut dem Büro des „Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte“ (OHCHR) wurden seit 2014 mindestens 55 Zivilistinnen getötet und 169 verletzt. Tausende sind in den ers­ten Jahren des Krieges von hier geflohen. In den vergangenen Monaten hat sich hier aber vieles verbessert, sagt Khomenko.

Fragiler Waffenstillstand

Gerade jetzt, während die Corona-Pandemie den Rest der Welt zum Stehen bringt, atmen die Menschen in Awdijiwka auf. Seit Ende Juli gilt ein fragiler Waffenstillstand, der längste seit Beginn des Krieges. Anfangs wurde seine Hauptleistung darin gesehen, dass das Militär keine weiteren Opfer zu beklagen hatte – ein relativer Erfolg, denn mittlerweile sind bereits zwölf Angehörige der ukrainischen Streitkräfte während dieses Waffenstillstands umgekommen. Den Menschen an Orten wie Awdijiwka gibt er dennoch Hoffnung. Denn die Schüsse oder Explosionen, die man vorher täglich hörte, hört man jetzt nur noch alle zehn Tage.

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