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Computer- und Salonmusik

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Das eindruckvollste Stück im letzten „reihe“-Konzert stammte von Charles Ives (1874 bis 1954), jenem merkwürdigen Originalgenie, das — völlig auf sich gestellt und abseits aller modernen und modischen Strömungen in den Musikmetropolen des alten Kontinents — in Amerika vieles von jenem „Neuen“ gleichzeitig oder schon früher entdeckte, das dann später in der Musikgeschichte Furore machte. „Von den Kirchtürmen und den Bergen“ für Trompete, Posaunen und viele Glocken, die noch durch zwei Klaviere verstärkt werden, ist ein einziges, fünf Minuten dauerndes mächtiges Crescendo von faszinierender Wirkung. — Das zweite interessante Stück des ersten Teils war Luigi Nonas sensible Vertonung eines kurzen Gedichtes von Machado („Canciones a Guiomar“). Die instrumental geführte Singstimme wurde von dem helltim-brierten Sopran der jungen Japanerin Emiko Iiyama nachgezogen und von einem aparten Instrumentarium begleitet, das eher fernöstlichen als spanischen Charakter hatte. „Proso-dia“ von dem Spanier Louis de Pablo für sechs Spieler, davon zwei an Schlaginstrumenten, dauert sieben- lange Minuten lang und ist ein Beispiel jener brutal-aggressiven Geräuschmusik, die man bereits aus der Mode wähnte. — Die häßlichste und sinnloseste Musik, die wahrscheinlich je im Mozart-Saal erklungen ist, führt den Titel St. 10/1 — 080262 und wurde zu 90 Prozent — wie im Programm vermerkt ist — von einem Computer errechnet. Den Rest besorgte der 1922 in Rumänien geborene Grieche Yannis Xenakis, der für diese Produktion verantwortlich ist. Der enig-matische Titel bedeutet: Stochasti-sche (auf der Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhende) Musik für zehn Instrumente opus 1 dieser Art, am 8. Februar 1962 vom Computer errechnet. — Das Datum dürfte nicht in die Musikgeschichte eingehen. Von Friedrich Cerha, der das Konzert leitete, wurden im zweiten Teil Mouvements I, II und III aufgeführt. Jedes der Stücke hat eine ganz eigene Klangfarbe: das erste verwendet kurze, helle, hohe, meist klappernde Geräusche; im zweiten durchbohren, gewissermaßen, brutale Bläser einen von Streichern gewebten Klangteppich; das letzte besteht aus sich ständig verschiebenden und verändernden Tonclustern. Es könnte „Variationen über ein Gewittergrollen“ heißen und ist überaus virtuos und effektvoll gemacht. — Den vielen jungen Leuten hat alles gut gefallen.

„Chanson und Szene“ war der Titel eines bunten Abends im Schubert-Saal, den die „Jeunesses musicales“ gemeinsam mit der „Gesellschaft für Musiktheater“ veranstaltete. In Zykans Salon geht es, wir haben das bereits wiederholt feststellen können, immer unterhaltsam zu, denn jeder darf da machen, was er gerne tut, und wenn man die einzelnen hier vorgeführten Stücke — gemäß der Empfehlung Zykans — nicht nach dem Maß ihrer Geschicklichkeit, sondern nach dem ihrer Naivität beurteilt, so kommen sie recht gut weg. Da zeigte zunächst Rolf Riehm, was man mit einer Oboe alles anstellen kann, dann führte Merc WiZa; ein von Tardieu erfundenes imaginäres Vielzweckmöbel vor („mit Zierleiste aus vergoldetem Gips“), Eva Pilz hantierte, von elektronischen Klängen Mauricio Kagels bedrängt, in einem technischen Gruselkabinett herum, das sie am Schluß mit Rasanz niederriß. Hierauf sang sie, ganz Sanftheit, eine Reihe meist lyrisch-versponnener Chansons von Zykan (die schönsten waren auf Texte von Prevert), dann widmete sie sich Lautgedichten von Green-ham, Zykan spielte als „Trotzki“ Soloklavier und dirigierte seine „Inszene“ für fünf Sprecher, die Gedichte von Heißenbüttel zerlegten, und schließlich gab es die „Symphonie für 100 Metronome“, von denen je zehn auf einen Sessel gestellt, von zehn Mitwirkenden in Gang gesetzt wurden — worauf sich die Helfer auf leisen Socken davonschlichen und das Publikum den tickenden Metronomen überließen — ein etwas billiger Spaß, unter den der bekannte Avantgardekomponist Ligeti seinen Namen gesetzt hat... Das war das Ende ...

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