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Der Gottmensch und die Menschen

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Als Papst Johannes zu Pfingsten 1963 starb, nahm ihm der Bildhauer Giacomo Manzu die Totenmaske ab. Der Bauernsohn aus Bergamo auf dem Stuhl Petri war seinem künstlerischem Landsmann seit Jahren zugetan. Seit 1947 hatte sich Manzu auf Grund eines Preisausschreibens mit Entwürfen für ein Tor in St. Peter beschäftigt. Es sollte den Triumph der Heiligen und Märtyrer der Kirche verherrlichen. Der Künstler, der als Sozialkritiker bekannt ist, konnte jedoch die innere Hemmung, das Erhabene, Übermenschliche zu preisen, nicht überwinden. Schon das „Tor der Liebe“, das er 1957/58 für den Salzburger Dom gestaltete, zeigt eher die mitmenschliche Geste der Heiligen der Nächstenliebe als ihre weltentrückte Übernatürlichkeit.

1956 erzielten Manizus „Kardinale“ auf der Biennale in Venedig internationalen Erfolg. Bei dieser Gelegenheit wurde der Plastiker beim Patriarchen der Lagunenstadt, Kardinal Roncalli, eingeführt. Als Papst Johannes XXIII. ließ dieser die Beziehung zum Künstler nicht abreißen, ja er erteilte ihm sogar den Auftrag, ihn zu porträtieren. Manzu erhielt bei dieser Gelegenheit die Erlaubnis, für das inzwischen für den Petersdom bei ihm bestellte Bronzetor das Thema zu ändern. Es wurde zum „Tor des Todes“ umbenannt.

Die Vorarbeiten zu diesem gewaltigen Werk sind in den Räumen der „Galerie Welz“ in Salzburg zu seihen: Bronzeplatten im Ausmaß von etwa 90 x 60 am. Die Originalreliefs sind auf dem Tor in der unteren Hälfte der beiden Türflügel angebracht. Unter dem Tod Mariens und der Kreuzabnahme werden die Variationen des „menschlichen“ Todes ausgearbeitet. Wir sehen Kains Brudermord, den Tod des heiligen Joseph, die Steinigung des ersten Märtyrers Stephanus, den Tod des durch Kaiser Heinrich IV. ins Exil getriebenen Papstes Gregor VII., den Tod durch menschliche Gewalt, das Sterben des „guten Papstes“ Johannes XXIII., den Tod eines Weltraumfahrers und den Tod einer Mutter auf Erden.

Seiner Grundhaltung gemäß, doch offensichtlich auch angesichts der gewaltigen Sakralität der Peterskirche, wollte Manzu mit seinem Werk der Eingangshalle einen speziellen humanen Akzent verleihen. Die vorzüglich modellierten und hervorragend gegossenen Tafeln könnten die Frage aufwerfen, wo denn bei dieser Thematik die „Öffnung nach oben“ bleibe. Das Tor führt zum Taufbecken der Basilika. Damit scheint es darauf hinzudeuten, daß der sündige Mensch, der als solcher in der Taufe mit Christus stirbt, durch das „Tor des Todes“ hindurchschreiten muß, um mit dem Herrn endgültig vereint zu werden.

Der leidende Gottmensch Christus bildet auch den Mittelpunkt der dreißig Bronzereliefs „Variationen über ein Thema — Christus in unse rer Menschlichkeit“. In diesen, ir einem Zeitraum von zwanzig Jahren entstandenen, ausdrucksstarker Werken versammelt sich die gequälte Menschheit um die Person des Gekreuzigten. Ihr Handeln, ihr Lassen und ihr Leiden wird in Beziehung zu seinem Opfertod gesetzt.

Die Ausstellung der Galerie Welz die bis Mitte September zugänglid bleibt, enthält neben den beider Bronzeserien je ein faszinierende: Porträt Papst Johannes’ XXIII., daneben eine Reihe routinierter Zeichnungen, Radierungen und Lithographien. Sie legt Zeugnis ab, daß die menschliche Gestalt — wie woh nicht ohne Gefahr für den perfekten Könner Manzu — auch heute noch das Medium bilden kann, durcl das der Betrachter dem menschgewordenen Gott näherzukommen vermag-

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