7123575-1996_46_23.jpg
Digital In Arbeit

Anastasius, Gottlieb oder doch lieber Fidel ?

Werbung
Werbung
Werbung

Was Eltern den Kindern mit der Namenwahl manchmal antun, ist geradezu kriminell. Es gab in den Zeitungen eine Nachricht, daß ein Altwarenhändler aus Wolverhampton mit dem schlichten Namen Brian Brown sein neugeborenes Töchterlein auf Maria Sulli-van Corbett Fitzsimmons Jeffries Bart Bruns Johnson Willard Dempsey Tunney Schmeling Sharkey Carnera Baer Braddock Louis Charles Walcott Marciano Patterson Johannson Listen Clay Frazier Foreman Brown taufen ließ. Der Vater ist ein Boxfan, und dies waren die Namen aller Boxweltmeister im Schwergewicht seit 1882. . Das arme Mädchen wird sich privat sicher einfach Mary Brown nennen. Was aber, wenn sie ein offizielles Dokument oder einen Fragebogen ausfüllen muß? Ich fürchte, daß nur wenige Arbeitgeber den Mut aufbringen werden, einen Menschen mit solch langem Namen zu beschäftigen. Übrigens, auch im alten Japan war es vornehm, viele Namen zu haben, und ein altes japanisches Märchen verspottet diese Mode: Ein kleiner Junge mit vielen Namen fällt in einen Brunnen, seine Spielkameraden wollen Hilfe holen, bis sie aber alle Namen aufgezählt haben, ist der Knabe ertrunken.

Namen führen zu Peinlichkeiten -wenn man sich als „Klug”, „Schön”, „Feige” oder „Stinker” vorstellen muß. Noch schlimmer ist das im internationalen Verkehr. Die Sprecher im Hörfunk lachten jedesmal, wenn sie Namen wie den der sowjetischen Kulturministerin Furzewa ansagen mußten - die Fernsehsprecher lachten dabei nur deshalb nicht, weil sie sich vor der Kamera beherrschen müssen.

Unzählige Schwierigkeiten gibt es mit der Aussprache fremder Namen. Ein ganz gewöhnlicher Herr Haussmann wird in Frankreich zum Türken Ossman. Selbst ein so leichter Name wie der des ehemaligen amerikanischen Außenministers führte zu Diskussionen, ob man „Kissinger” oder „Kinssindscher” sagen sollte. Was geschieht, wenn man mit einem polnischen Namen wie Szczebrzeszy-nski (Schtschebrscheschinski) zu tun hat, muß man erst gar nicht beschreiben. Daß die Chinesen, in deren Sprache die Intonation eine große Bolle spielt, ihre Namen in unserer Sprache gar nicht erkennen, ist kein Wunder.

Wenn ein katholischer Bischof mit dem Vornamen Ignatius Loyola heißt oder der CSU-Vorsitzende Franz Josef, ist das nicht weiter schlimm. Wie kann aber ein Trotzkistenfunktionär mit dem Namen „Gottlieb” oder „Traugott” herumlaufen und ein christdemokratischer Abgeordneter

Fidel Che heißen, nur weil der eine fromme Eltern hatte und die Eltern des anderen in der Jugend begeisterte APOs waren?

Manche Namen wirken ausgesprochen antisexuell. Frauen schaffen zwar alles, aber es wird ihnen doch wohl schwerfallen, „Anastasius” oder „Theopurat” zärtlich zu flüstern; sollte mich die Liebe mit einer Hildegard oder einer Maria Theresia zusammenbringen, werde ich sie in entscheidenden Momenten anders nennen, um der Ernüchterung zu entgehen. Von der armen Mary Brown gar nicht zur reden - soll ihr Freund mal sagen: „Sullivan Corbett Fitzsimmons und- so weiter, ich möchte dich küssen!”

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung