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DIE LETZTEN TAGE DES HL FRANZ XAVER

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Endlich kam eine Brise auf, und das Schiff, das Franz Xaver zu Pereira bringen sollte, machte sich auf den Weg, um den Stürmen des Südens zu begegnen. Nach mancherlei Gefahren erreichten sie Malakka. Dort begann für ihn das Martyrium. Nicht mehr der gute Pedro da Gama hatte die Ueberwachung über die Aus- und Einfahrt der Schiffe, sondern sein niederträchtiger und ehrgeiziger Bruder Aivaro. Er war sehr böse darüber, dafj ein einfacher Kaufmann wie Pereira mit der viel Gewinn versprechenden Stellung eines Gesandten für das großartigste Reich Asiens beauftragt war. Ais Pereira mit seiner „Santa Cruz““ aus Singapore ankam, um Franz Xaver abzuholen, lieh dieser Gewaltmensch einfach das Steuerruder des Schiffes entfernen und in Gewahrsam bringen. Franz Xaver konnte seinetwegen nach China oder auch zum Taufei gehen. Pereira sollte ihn nicht begleiten, solange er, Aivaro, „Oberbefehlshaber“ des Meeres“ war.

Eigentlich richtete sich Alvaros böse Absicht nicht gegen Franz,Xaver, sondern gegen dessen Freund Pereira. Als er seine Eifersucht dadurch befriedigt hafte, dafj er der. Kaufmann in Malakka festhielt, lief) er das Schiff, das ihm den Heiligen aus den Augen führte, segeln. Der vielversprechende Plan mit der Gesandtschaft war zunlchle geworden. Aber wenigstens die armen Gefangenen in Kanton mußten noch geretlel werden. Ihnen zuliebe machte sich der Heilige auf den Weg.

Die „Santa Croce“ erreichte im Spätsommer 1552 das Schmugglerparadies con Chang Chwen. Dort lagen bereits einige andere portugiesische Schiffe vor Anker. Es gab keine Häuser auf der Insei, nur einige provisorische Hütten. Diese zerslörien die Kaufleufe jedesmal wieder, bevor sie abfuhren. Des Nachts blieben sie auf ihren Schiffen. Sie waren immer auf der Hut vor Polizeidschunken. Während des Tages trieben s;e Handel mit den chinesischen Schmugglern. Unter den Europäern, die sich auf der Insel befanden, war auch ein Mann, der mit unglaublichem Glück aus dem Gefängnis in Kanton entkommen war; Franz Xaver, der mit jedermann Freundschaff schloh, wurde natürlich auch sein Freund. Ohne Zweifel erfuhr er von ihm manches über die „angenehmen“ Zustände in den Gefängnissen. Unglückliche Fremdlinge, die es gewagt hallen, das Reich des Himmels zu betreten, lagen in langen, stinkenden Gängen angekettet auf dem Boden. Sie waren Würmer, keine Menschen, für den Resl ihres dem Tode geweihten Lebens. Viel glücklicher waren jene, die man nach kurzer Folter hingerichtet hatte. Die Kunde von solchen Dingen konnte allerdings Franz Xaver von seinem Vorhaben nicht abschrecken, sondern nur darin bestärken. Wenn es ihm auch nicht gelang, diesen armen Gefangenen die Freiheit zu verschaffen, so konnte er ihnen doch wenigstens die Tröstungen des Glaubens bringen. Er ging von einem Kaufmann zum andern und bestürmte und beschwor sie, ihn doch mit hinüberzunehmen. Er mufjfe immer dieselbe Antwort hören: Es sei viel zu gefährlich. Eine Woche nach der anderen ging vorbei und brachte immer neue Enttäuschungen.

Endlich, am 2Z. Oktober, konnfe Franz seinen Freunden in Malakka, Diego Pereira und Pater Perez, die freudige Nachricht übersenden, dafj er einen chinesischen Händler, „einen ehrenwerfen Mann aus Kanton“, gefunden habe, der ihn mit se;nen „Büchern und einem kleinen Kleiderbündel“ bis vor die Tore der Stadt bringen wollte. Als Entgelt verlangle er zwanzig Picos Pfeffer oder zweihundert Cruzados in bar. Franz wollte nach der Ankunft in Kanton sofort geradewegs zum Hause des Gouverneurs gehen, das Schreiben des Bischofs Albuquerque vorlegen und sagen, er sei von den Behörden Porfugais gesandt, um „das Gesetz Gottes zu verkünden“. Die göttliche Verwagenheit dieses Planes verschlägt uns den Afem. Aber angenommen, er hätte seine Netze nicht über die höchsten Pagode des Reiches des Himmels geworfen, würden wir ihn dann mehr lieban, würden wir ihn mehr bewundern, würden wir sein Beispiel hinreißender finden?

Ein portugiesisches Schiff nach dem anderen lichtete die Anker, bis die „Santa Croce“ allein übrigblieb. Die Besatzung dieses Schiffes bestand der Hauptsache nach aus Parteigängern des feindlichen Oberbefehlshabers von Malakka. Sie begnügten sich damit, für den Heiligen eine kleine Kapelle aus Holz zu bauen und ihm eine der provisorischen Hütten zur Verfügung zu stellen. Diese gewährte sehr wenig Schutz gegen die beifjend kalten Seewinde des Novembers. Wir erfahren auch, dafj er von ihnen eine Handvoll Mandeln erhielt. Im übrigen sollte er für sich selbst sorgen. Der gefreue Antonio erzählt, Franz Xaver sei off hungrig und halb erfroren gewesen. Trotzdem lief; er sich nicht entmutigen. Er spannte nur erneut den Bogen seiner Entschlossenheit. Dieser brach nie, auch wenn er noch so stark belastet wurde. Wenn er nicht, wie geplant, auf direktem W^g nach China gelangen konnte, dann würde er nach Siam gehen und durch die Hintertüre das verbotene Land betreten.

Endlich dämmerte der Morgen des 19. November herauf. Es war der Tag, den er mit dem chinesischen Schmuggler vereinbart hatfe. Die Bücher und das Kleiderbündel hafte er bereits neben sich liegen und hielt nach dem Ufer Ausschau. So wartete er Stunde um Stunde, bis es dunkel wurde. Nichts war zu sehen, auch nicht die geringste Spur de braunen Segels, auf das er mit Sehnsucht wartete. Nun wufjte er es: China hafte über ihn den Sieg davongetragen. Jetzt rächte sich der arme Körper, der so lange von dem kühnen Geist angetrieben worden war. „Es war in diesem Augenblick“, so schreibt sein einziger treuer Begleiter Antonio, „dah er krank wurde“. Vierzehn Tage später, in der Nacht auf den 3. Dezember 1552, starb er. Er war sechsundvierzig Jahre und sieben Monate alt. Von den berühmten Wundern, die er gewirkt haben soll, ist hier nichts erwähnt, denn sein Glaube, seine Hoffnung und Liebe legen ein beredteres Zeugnis für Gott ab als die erstaunlichsten Wunder.

(Aus dem Werk „Die ersten Jesuiten“, Verlag Herold, Wien)

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