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Die lustigen Österreicher

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Es war ein später Oktobernachmittag, als mich beim griesgrämigen Spazierengehen das Licht eines Beisels anlockte. Ich beschloß hineinzugehen und mir drinnen vielleicht irgendetwas Eßbares zu kaufen, ich würde mir zu Hause jegliche Wirtschaft mit Essenherrichten und Geschirrwegräumen ersparen.

„Se kumman grad no z'recht”, sagte der in der Tür stehende Wirt, „gschwind, gengan'S eine”. Dabei schob er mich in einen angrenzenden Baum, wo bei matter Leuchtstoffröhrenbeleuchtung einige Frauen und Männer ein Auditorium bildeten, das einem Vorsitz von drei weiteren Männern gegenübersaß.

Schon fand ich mich, ganz gegen meine schnelle Bestellung, die auf ein Krügel Bier gelautet hatte, mit einem Viertel Veltliner auf einem Sessel in der hinterste Reihe im Publikum.

„Ich begrüße als Ehrenvorsitzender der heute ins Leben gerufenen Sparrunde ,Die lustigen Österreicher' vor allem Herrn Senatsrat Karl Kummer”, sprach nun der Mittlere der Drei auf dem Podium, „der uns die Ehre gibt, mit seiner Gattin unserer Veranstaltung beizuwohnen.” Applaus rauschte auf, der Angesprochene, in der ersten Reihe sitzend, erhob sich, drehte sich um, lächelte, verbeugte sich, zeigte aufsein angetrautes Weib, das mit stolzgeschwellter Brust neben ihm sitzengeblieben war, sich nun aber ebenfalls umdrehte und lächelte, und er setzte sich. „Mein besonderer Gruß gilt auch Herrn Vizesekretär Helmut Vrzal”, fuhr der Redner fort. In der zweiten Reihe stand ein Herr mittleren Alters auf, dabei verrutschte seine Brille, er schob sie verlegen zurecht, verneigte sich zum Präsidium und setzte sich nieder. Auch ihm wurde lebhafter Beifall zuteil. Außer mir waren insgesamt 17 Personen im Saale, die oben Sitzenden mitgerechnet, davon fünf Damen. „Ich danke auch Frau Kommerzialrat Erna Ebeseder für ihr Kommen”, fuhr der Sprecher fort und nickte einer direkt vor ihm sitzenden korpulenten Endfünfzigerin zu, die geschmeichelt lächelnd ein Sich-Erheben andeutete und besänftigend auf das Publikum hinwinkte, das wiederum zu klatschen begonnen hatte. „Ferner begrüße ich die stellvertretende Vorsitzende der Frauenvereinigung Westliche Landstraße, Frau Eveline Kasparek”, sagte nun der Mann auf dem Podium. Lebhaftes Händeklatschen, ein kleines grauhaariges Weiblein verließ mühsam seinen Stuhl am Eck der zweiten Reihe, schritt nach vorne, verbeugte sich, ging langsam zurück und lächelte beim Sichniedersetzen froh. Es kamen dann noch an die Reihe der Generalsekretär in Ruhe Eberhard Karasic, die Amtsvorsteherin a.D. Annemarie Gagerl, der Oberoffizialsdirektor Ing. August Peterschelka, der Kammerpräsidentensektionschef Gerhard Ro-thwangl, der Oberkommissar Dr. Reinhard Zaruba, Altabgeordneter Oberrat Christian Hopf, der .technische Fachoberinspektor Rupert Heu-berger aus dem Nachbarbezirk Wieden, der Gemeindehauptkontrollors-anwärter Oswald Strack, die Vertragsnebenbedienstete Monika Marek, „und last not least”, sagte nun der Redner und wendete sich seinen Sitznachbarn zu, „ist es mir auch eine Ehre, die Herren Regierungsunterrevisor Magister Thomas Gerlitz” - lautes Händeklatschen - „sowie Diplomsonderbeauftragten Sigismund Schickelmayer in unserer Mitte zu begrüßen”. Der Beifall war nicht enden wollend, beide Genannten mußten zweimal .aufstehen und die ihnen entgegengebrachten Ovationen bescheiden abwehrend entgegennehmen. Nun erwartete ich den Übergang zum offiziellen 1 eil des Abends, da erhob der Redner noch einmal die Stimme, und ich hörte ihn sagen: „Abschließend möchte ich nicht minder herzlich auch sämtliche Damen und Herren begrüßen, die unserem Festakt beiwohnen.”

Da hiemit nur ich gemeint sein konnte, stand ich von meinem Platz in der letzten Reihe auf, nahm die Huldigungen der Umsitzenden entgegen, erhob mein Glas und trank den Rest des mir verabreichten Weines in einem Zug aus. Sodann verließ ich stehenden Fußes, von einem wundersamen Glücksgefühl durchstrahlt, das Wirtshaus.

Möge keiner kommen und sagen, Österreich sei angesichts seiner vielen Funktionäre ein wenig undemokratisch. Ich bin das Volk. Solcherart der Souverän, habe ich an jenem Abend meine Rolle genossen.

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