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Die Träger des Georg-Trakl-Preises

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Herz in der Kelter. Gedichte. Von Wilhelm Szabo. 104 Seiten. Preis 29 S. — Opferholz. Gedichte. Von Michael Guttenbrunner. 88 Seiten. Preis 29 S. — Beide: Verlag Otto Müller, Salzburg.

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Herz in der Kelter. Gedichte. Von Wilhelm Szabo. 104 Seiten. Preis 29 S. — Opferholz. Gedichte. Von Michael Guttenbrunner. 88 Seiten. Preis 29 S. — Beide: Verlag Otto Müller, Salzburg.

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Aus Anlaß der 40. Wiederkehr des Todestages Georg Trakls wurde zu Anfang November in Salzburg der Georg-Trakl-Preis für Lyrik verliehen. Bei der Verleihung folgte die Jury einem bewährten österreichischen Prinzip: den Preis zu teilen und so mehrere Anwärter, die ihr in gleicher Weise würdig schienen, auszuzeichnen. Es sind dies: Christine B u s t a, Christine L a v a n t,

Michael Guttenbrunner und Wilhelm S z a b o. Eine Wahl, die in jeder Hinsicht begrüßt werden muß. Es ist das Verdienst des Otto Müller Verlages, zwei der Preisträger, Michael Guttenbrunner und Wilhelm Szabo, heuer durch Publikationen repräsentativer Gedichtbände herausgebracht zu haben. Die beiden Bände, geschmackvoll in flexibler Kunststoffolie gebunden, ermöglichen die intensive Bekanntschaft mit zwei überaus fesselnden Dichterpersönlichkeiten.

Leichter zugänglich sind die Gedichte des 1901 in Wien geborenen Wilhelm Szabo. Sein Weg führte ihn, das Findelkind, zu kleinbäuerlichen Pflegeeltern in das südliche Waldviertel. Dem Besuch des St.-Pöltener Lehrerseminars folgen Jahrzehnte des Wirkens als Volks- und Hauptschullehrer in abseitigen und verschollenen Dörfern des

Alle Bücher liefert Buchhondlg. Tyrelia, Innibruck.

oberen Waldviertels; heute ist Szabo in Weitra, nahe der tschechischen Grenze, tätig. Dieser Weg spiegelt sich in den Titeln seiner bisher erschienenen Gedichtbände: „Das fremde Dorf", 1933; „Im Dunkel der Dörfer", 1940, und „Das Un- befehligte", 1945. Er selbst schreibt in der autobiographischen Skizze, die „Herz in der Kelter" im Nachhang beigegeben ist: „So ist meine Dichtung weitgehend die Geschichte meines Weges durch die Dörfer, ich könnte auch sagen, die Geschichte eines langen und schmerzlichen Ringens um Heimat Ich werde es nie vergessen, daß ich in einer Keusche aufwuchs und daß meine bäurische Ziehmutter sich eines Niemandskinds annahm. Mein Herz gehört den Armen und Namenlosen." Dies Bekenntnis spricht aus jeder Zeile des Buches:

„Meine Jugend blieb in den Wäldern.

Sie verscholl in der Einschicht, im Dorf, in den Kirchspielen, kauernd in Feldern, in Keuschen, geduckt in den Torf.

Ich ließ sie in finstern Gelassen,

Gevierten für Magd und Knecht, in den Kammern der Hintersassen, den Stuben, worin man zecht.”

Die Gedichte Szabos sind fast durchweg in kurzen, knapp und schlicht formulierenden Sätzen geschrieben. Auch die einzelnen Zeilen sind kurz und schließen meist mit einem Punkt ab. Sie scheinen sich nur widerwillig und ganz nebenbei zu reimen. Szabo liebt die einfache, schmucklose Aussage. Zierat und schöne Worte sind ihm zuwider. Aus allen Gedichten spricht Trauer, Bitterkeit. „Eiszeit der Herzen" heißt ein Abschnitt des vorliegenden Bandes, „Die Jugend in Dörfern vertrauert", eines der Gedichte. Und doch hat er ein unkompliziertes, offenes Herz bewahrt, das Liebe zu allen Menschen hat. „Und jede Zeit ist gut, selbst diese " beginnt ein Vers. Der Vergleich mit Trakl liegt nahe. Mit ihm hat Szabo die Knappheit des Ausdrucks, das Herbe der ländlichen, abseitigen Welt gemeinsam. Doch ist seine Welt viel enger und blasser als die Trakls, und es fehlt ihm der dunkle Unterton einer ständigen Todesahnung. Von den Lebenden läßt sich eine Parallele wohl nur zu Theodor Kramer ziehen, dem Dichter der spröden, sich in die ungarische Tiefebene hinein verlierenden Landschaft des Burgenlandes. Gemeinsam ist ihnen die echte, unlösliche Verwurzelung mit dem Heimatboden.

Michael Guttenbrunner, 1919 in Att- hofen, Kärnten, geboren, ist eine Landsknechtgestalt. Seine Gedichte, hier nach den „Schwarzen Ruten" in einem zweiten Band gesammelt, sind eine Absage an die Zeit. Sie sind einem Dickicht, einem Dornengestrüpp vergleichbar, in das nicht jeder und niemand ohne weiteres eindringen kann. Sie sind aus sprödem Holz geschnitzt: „ jetzt würgt sie jeder Schlag, wenn von heißem Blick gebannt des Eisens Schärfe zusohlägt ins Opferholz." Und geläutert, wenn das Eisen tiefer eindringt: „Aber er weiß doch wieder, was Tage und Nächte sind." Guttenbrunner haßt die lauen und faulen Worte; er scheut nicht häßliche und kräftige Ausdrücke, wo sie am Platze sind. Er nennt alles beim rechten Namen, und es ist ihm gleichgültig, ob irgend jemand das gerne hört. Eine solche Stellufig- nahme eines abseitigen Zeitgenossen, eine solche Absage an alle Verlogenheiten scheint zu ungezügelten und langen Gedichten zu verführen. Das ist aber nicht so. Guttenbrunner schlingt seine stets reimlosen, freien Verse zu eigenartigen Figuren, zu dichten Formen, in denen ein enges und seltsames Nebeneinander von Zeitaussage und’ Traumworten möglich wird. Sie werden stärker und dichter, je weiter sie von der Gegenwart wegführen.

Ueber den Menschen Guttenbrunner, der „zum Dichten verflucht ist", erfahren wir einiges im Nachwort von Wölfgäng Benndorf, der den Autor als „Musensohn" und als „Narren" bezeichnet. Aus diesem Nachwort, mehr noch aber aus den Gedichten selbst, lernen wir einen Menschen kennen, der auf feinste Schwingungen anspricht, so hart er sich auch gibt, und der den Krieg, der ihn icht nur äußerlich verletzte, zutiefst haßt. Den Krieg, das schrecklichste Gesicht unserer Tage.

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