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Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
Wer in Wien eine Aufenthaltsgenehmigung braucht, erlebt so seine blauen Wunder. Ein Tatsachenbericht aus dem Leben zweier Wahlwiener.
Wer in Wien eine Aufenthaltsgenehmigung braucht, erlebt so seine blauen Wunder. Ein Tatsachenbericht aus dem Leben zweier Wahlwiener.
Du wirst erleben, was für ein Spießrutenlauf es ist, bevor ich die Aufenthaltsgenehmigung erhalte ...!” hatte meine Frau mich gewarnt.
Ahnungslos und gut gelaunt rufe ich, der täglich mit Behörden zu tun hat, im Rathaus die Magistratsabteilung für Ausländerfragen an und stelle die Angelegenheit dar:
Daß ich seit einigen Monaten verheiratet bin, als Deutscher im Universitätsbereich in Wien eine feste Anstellung habe und nun meine Frau, die Slowakin ist, eine Aufenthaltsgenehmigung braucht, aber sie bereits seit vier Jahren ein Studentenvisum für Osterreich hat.
Der Beamte ließ mich in Ruhe aussprechen und antwortete dann: „Do miassn S' zur MA 62 auf d' Fickey-straße 1”.
Diese war meiner Gattin schon hinlänglich von den Prozeduren aus den vergangenen Jahren bekannt. So fuhren wir am Montag früh vom 18. Bezirk in den 11., um dort die ersehnte Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Doch der Portier vor Ort, sich seiner Sache bewußt, sagte höflich, bestimmt und überzeugend, daß wir mit unserem Anliegen auf die Martinstraße 100 fahren sollten, denn die MA 62 im Amtshaus Währing sei für uns zuständig. Außerdem könnten wir das noch am gleichen Morgen erledigen.
Tief durchatmend, aber immerhin mit einem Zettel in der Hand, wo Abhilfe zu schaffen sei, zogen wir uns zurück in unseren „Wahlheimatstadtbezirk”. Hier wiederum angekommen, sahen wir, daß nur um acht Uhr morgens die Nummern ausgeteilt würden, aber - oh Hoffnungsschimmer - wir erhielten wenigstens den Antrag für das Visum. Nun blieb uns also ein ganzer Tag Zeit, zum Kopieren, zum Kaufen der Stempelmarken, zum Ausfüllen des Formulars und zum psychischen Auftanken nach den Mißerfolgen des Tages.
Dienstag morgen, nach zweistündigem Warten (aber daran hatten wir uns schon gewöhnt), kamen wir nun zu einem jungen, Marlboro rauchenden Beamten der MA 62 auf der Martinstraße 100. Sein schelmisches Lächeln um seine Mundwinkel und sein Ohrring glitzerten uns an, als wir unseren Fall wiederum vorbrachten. Dann bedauerte er schmunzelnd, wenn es ein normales Studentenvisum sei, dann wäre er zuständig, aber da es sich um ein Visum für eine Bürgerin handelt, die in Wien mit einem EWR-Bürger verehelicht sei, müßten wir uns doch an die Fremdenpolizei wenden.
Nun ging also der Bußgang nach Canossa zur Schulgasse 88. Irgendwie wuchs mir Wien in diesen Stunden besonders ans Herz. Im Büro der Fremdenpolizei, wo uns die nette Dame mit rotbelackten Fingernägeln empfing, wurden wiederum alle Daten „gecheckt” (und nicht nur diese, sondern unsere Nerven auch), aber wir kamen dem Ziel schon näher. Denn als alles geprüft, gestempelt, kopiert und durchgesehen war (welch Wunder, es sollte diesmal sogar ohne Stempelmarken gehen!), wollte die freundliche Beamtin meiner Frau den Reisepaß für die nächsten vier (!) Wochen abnehmen, damit das Visum eingetragen werden könnte. Doch da meine Frau nicht aus Vancouver, sondern aus Bratislava kommt und deshalb öfter in ihre alte Heimat fährt und außerdem ihr Bruder am nächsten Wochenende heiratet, entschied sie sich für die Abgabe später.
„Ich habe dich gewarnt...”, rief sie augenzwinkernd, und wir verließen die Fremdenpolizei. Vielleicht war ich gerade mit meinen Gedanken irgendwo anders, da hörte ich die weiche Stimme meiner Liebsten flüstern: „Und nächstes Jahr wieder.” Vielleicht wissen dann die Beamten besser, wer für was und welchen Fall zuständig ist? Oder sollte man einfach nicht zuviel verlangen ...?
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