6683788-1962_05_15.jpg
Digital In Arbeit

Druiden-Koloratur und „Carmen“

Werbung
Werbung
Werbung

Nach sechzig Jahren hat sich die Grazer Oper nun wieder der „N o r m a“ von Vincenzo B e 11 i n i erinnert. Mit gutem Recht: denn diese blutrünstige Geschichte aus Galliens Wäldern, welche die unglückliche Liebe der Oberdruidin zu einem Organ der römischen Besatzungsmacht mit südlicher Melodik und halsbrecherischem Ziergesang schildert, ist heute nur noch dann zu ertragen, wenn zumindest für die Titelpartie eine attraktive Stimme zur Verfügung steht. Da Mimi C o e r t s e mit dem Grazer Haus lose liiert ist, konnte man eine Neuinszenierung der alten Oper riskieren. Freilich, es ist nicht mehr wie zu Großvaters Zeiten, wo der Melodienschatz Bellinis in jedem klavierspielenden Haushalt heimisch war. Heute konstatiert man interessiert, aber sachlich, wie sehr der junge Verdi, aber auch Wagner von Bellini gelernt hatten. Darüber hinaus aber findet der Liebhaber des Belcanto in der etwas undifferenzierten Melodik dennoch eine Fülle von ausdrucks- und empfindungsstarken Stellen und eine Reihe von wohlgeformten Ensembles. Kommt dann noch eine Prachtleistung wie die Mimi

Coertses hinzu, so kann man sich vorstel len, welch großer Erfolg die Wiedel erweckung dieser Oper geworden ist. Wei über die technische Perfektion ihre makellosen Koloratur hinaus, die lyrisch Weichheit der Stimme, die hier auch kraft voll und dramatisch eingesetzt wirc besticht diese Sängerin durch die mensch liehe Intensität, mit der sie ihre Roll auch darstellerisch zu einer Ganzhei gestaltet. Die Leistungen der ührigen Mit wirkenden waren — gemessen an de Protagonistin — zwar nicht bestechenc aber durchaus brauchbar. Der junge Diri gent Alfred Walter hatte sich mi großem Schwung der Partitur und ihre zahlreichen Effekte angenommen. Wolf gang Weber, ein Wiener Gast, führt in unauffälliger und insgesamt recht kon servativer Weise Regie. Die Dekorationei W. SkaIicki s jeigten zerspelltf sttufikhaf te, ürweltlkh anmutende '.Gebilde in ihrem1 Mittelpunkt eine Art Welt e?a$Hifärteffi: an sich eaf'.eifclr werte Leistung, aber viel zu sehr auf nor dische Tragödie zugeschnitten als auf süd liehe große Oper.

Ein weiterer Erfolg der letzten Wochen Bizets „Carmen“ unter der fesseln den, temperamentsprühenden Leitung Be rislav Klobucars und einer effekt vollen Bühnengestaltung Wolfram S k a 1 i c k i s. Dazu kam noch die Regie Frit Z e c h a s, der es verstand, die Sänge und manchmal sogar den gewöhnlich nich sehr beweglichen Chor aus den ausgefahre nen Geleisen der Opernkonvention x reißen. So gab es also auf der Szene genu zu sehen. Was die meisten Darsteller für Ohr des Zuhörers taten, überschritt aller dings nicht das gewohnte Maß eine durchschnittlichen Aufführung, ausgenom men einzig Gundula Janowitz, die ihre: wundervoll timbrierten Sopran der blasse Micaela-Figur lieh. Wer Glück hatte konnte aber an zwei (leider nur zwei Abenden einem besonderen Ereignis bei wohnen: Biserka Cvejic von der Staats oper sang die Carmen. Diese Künstlern die nicht nur über eine Prachtstimme, sondern auch über eine hinreißende schauspielerische Begabung verfügt, ist ein wahrer Orkan an Temperament und mimischem Schwung. Ein seltener Fall: Schönheit der Stimme, Musikalität, überlegenes Spiel und blendendes Aussehen machen aus ihr eine geradezu ideale Carmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung