Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Es geschah in der Bandgasse...
IV .
Der Druckfehlerteufel
Die Geschichte der Presse begleiten zwei Teufelchen, von denen dęr erstere, der Druckfehlerteufel, vermutlich so alt wie die Zeitung selbst . ist.
Über sein boshaftes Wirken kursieren allerorts unzählige Anekdoten. Sie zeigen — eine Fundgrube für den Psychologen! — die merkwürdige Tatsache auf, daß der Druckfehlerteufel, hierin ein waschechter Teufel, einen deutlichen Hang zu sexueller Zweideutigkeit hat.
So war in einer vielgelesenen Wiener Zeitung noch vor der Jahrhundertwende über die Teilnahme des Kronprinzen an einer Veranstaltung zu lesen: „Unter den Anwesenden bemerkte man Se. Kaiserliche Hoheit den Kornprinzen R.“ Der „Kornprinz“ schäumte, empfindlich wie er war, und das Blatt mußte sich am nächsten Tag unterwürfig entschuldigen und rückte folgende Notiz ein: „Natürlich sollte es nicht Kornprinz heißen, sondern —“ Hier aber lachte sich der Druckfehlerteufel einmal gründlich ins Fäustchen und erzielte durch eine Vokalverdunkelung, diesmal in der zweiten Silbe, einen noch größeren Heiterkeitserfolg, wie er sonst nur bei „Herrenabenden“ üblich war. Oder: Eine sehr geachtete Wiener Tageszeitung pflegte im Impressum zu schreiben: „Für den gesamten Druck verantwortlich: XY.“ Husch praktizierte der Druckfehlerkobold aus dem Worte „Druck“ den richtigen Vokal heraus und statt ihm ein falsches „e“ hinein — und ganz Wien hatte wieder einmal einen Tag zu lachen.
Frei nach Schiller
Böse Zungen behaupten, der Druckfehlerteufel sei nicht immer, aber häufig eine Teufelei des Schriftsetzers. Aber das ist schon deswegen nicht immer möglich, weil der Arme dabei in besonders schwerwiegenden Fällen noch heute sein Brot riskiert. Außerdem gibt es Ja Mithaftende, die hinter ihm den Fehler korrigieren sollten! Auf einem anderen Blatte steht allerdings, ob nicht die Psychoanalyse in einzelnen Fällen, wo der Setzer im Unterbewußtsein „arbeitet“, die letzten Hintergründe solcher Fehlleistungen erhellen könnte.
So oder so — auch das „Kleine
Volksblatt“ ist vom Druckfehlerteufel in allen seinen Variationen, Flüchtigkeiten, Zweideutigkeiten und Verwechslungen nicht verschont geblieben. Von dem peinlichen Inserat gleich in der ersten Nummer war schon eingangs die Rede. Fast noch Schlimmeres geschah in der Nervosität der ersten Wochen bald darauf im Lokalteil:
Ein uns von der „Reichspost“ her bekannter verläßlicher Mitarbeiter fing täglich auf dem Asperner Flugfeld die noch druckfeuchten Prager Zeitungen ab und brachte uns gerade im wüstesten Abendrummel seine Übersetzungen. Sie wurden kaum mehr gelesen, sondern nur ausgewählt und rasch zum Druck befördert. Und einmal geschah es. In zweispaltiger Größe prangte der Titel des katholischen „Volksblattes“: „Ein direkter Nachkomme der Jungfrau von Orleans gefunden." Das eigentliche Lustige dabei war, daß der Autor seinen Lapsus auch dann noch nicht einsah, als die Kollegenschaft und die Leser vor Lachen brüllten, sondern an Hand seiner tschechischen und deutschen Sprach- kenntnisse nachdrücklich die Formulierung seines Titels vertrat. Aber besonders das schadenfrohe Grinsen der Konkurrenz übertönte seine eigenwillige Philologie.
Die neuen Köpfe und Tiere
Regierungswechsel kamen damals in den dreißiger Jahren viel häufiger vor als heute. Man muß sich die Lage ungefähr so vorstellen, wie sie in Frankreich vor de Gaulle üblich war. Da solche Rücktritte meist in später Abendstunde erfolgten, hatte Ich mir gezeichnete und klischierte Porträts aller führenden Politiker im Einheitsformat herstellen lassen und bereitgelegt. Eines Abends, natürlich wieder einmal um 23.30, war es wieder einmal so weit. Rasch das alte Titelbild weg und sechs neue „Köpfe“ aus der neuen Regierung hinein! Aber o Schreck: Ich hatte in der Aufregung vergessen, auch die Textierung des Titelbildes zu ändern, und am nächsten Morgen prangte unter den erlauchten neuen Köpfen der frisch gebackenen Regierung die fatale Textzeile des alten Titelbildes: „Neue Tiere in Schönbrunn.“ Die Betroffenen hatten Humor: sie stimmten ebenso klug wie herzhaft in das dröhnende Gelächter ihrer politischen Gegner ein. Damit war ich gerettet.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!