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Getanzter „Jedermann” in Graz

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Für den Ballettmeister Rein Estė, der ans Raimundtheater geht, gab es kürzlich in der Grazer Oper eine Abschiedsvorstellung: einen Ballettabend, der als Neuheit eine Art Tanzspiel von „Everyman” brachte. Eine besondere Offenbarung ist dieses-„Adam Zero” betitelte Ballett jedenfalls nicht. Der Komponist Arthur Bliss hat sich dabei kaum etwas Nennenswertes einfallen lassen. Die einzelnen Nummern sind von recht banaler Epigonenhaftigkeit. Banal und dick aufgetragen ist auch die Allegorik in der getanzten Handlung. Schöne tänzerische Leistungen einzelner Solisten halfen über die Abgeschmacktheit dieser Holzhammer- Symbolik hinweg, die noch dazu von der unglücklichen Idee des Bühnenbildners (projizierte Photomontagen) unterstützt wurde Am selben Abend gab’s noch die reizend burschikose und bummelwitzige Pantomime „Ein Amerikaner in Paris” (getragen von Heinz Peters) ermüdende „Scheherazade” mit dem Corps de ballet als Komparserie.

Der denkwürdigen Inszenierung der „Walküre” im Vorjahr folgte nun eine Neustudierung des „Rheingold”. Der außerordentliche Wurf der vorigen Saison wurde heuer nicht mehr erreicht: es fehlte die Geschlossenheit des Stils, die der „Walküre” ihr Gepräge gegeben hatte. Andrė Diehls Regie schwankte etwas unentschlossen zwischen den neuen Gedanken und dem Ballast der Tradition, wodurch sich eben die künstlerische Einheit nicht recht ergeben wollte. Der vokale Teil hatte beachtliche Qualität nicht zuletzt durch Schöfflers Wotan und Charle- bois’ Loge —, hingegen konnte man sich, für die Interpretation durch den Dirigenten M. C a r i d i s wenig erwärmen: das meiste kam zu hart, zu fahrig, zu grob. Die Dekorationen W. Skalickis fielen gegenüber seinem „Walküren”-Bild etwas ab. Daß die Rheintöchter von Tänzerinnen agiert werden und die Sängerinnen nur zu hören sind, ist eine gefällige Zauberei.

Während die Grazer Oper im allgemeinen wirkliches Niveau besitzt, das stetige, planvolle Arbeit hinter den Kulissen verrät, geht es mit dem Schauspiel immer weiter bergab. Diese Krise begann bereits mit dem Ende der Direktion Andersen- Gerstinger und wird in letzter Zeit immer offenkundiger. Es scheint, daß von einer Planung keine Rede mehr ist und nut noch von der Hand in den Mund, gelebt-wird. Viele .Köche verderben, den .Brei; esr-feMt dbK-deitende Persönlichkeit.,vbtr Format,-dit auch imstande wäre, ‘die so notwendige ‘Erzibhung- der jungen Schauspieler in die Hand zu nehmen. So aber wird wertvolles Kapital verwirtschaftet. Bewährte Kräfte läßt man widerspruchslos ziehen oder kündigt sie. Nicht abzusehen, wie das weitergehen soll. Die ganze verfahrene Situation wurde jüngst erst Wieder schlaglichtartig erhellt durch den Tiefstand und die Niveaulosigkeit einer Lustspielinszenierung („Ninotschka” von Lengyel). So viel Provinzialismus ist auch für die „Provinz” nicht tragbar!

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