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IM STREIFLICHT

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SILBERHAARIGE Pappendeckelengel flattern über elektrifizierte Kerzenimitationen. Flimmerzeug auf Papiermachebäumchen täuscht Poesie vor und selbst intimere Kleidungsstücke sind mit Tannenzweigen und Goldbändern anmutig geschmückt. Lange vor dem ersten Adventstag zwar — aber Großkaufhäuser und Trikotagenhandlungen haben eben ein feines Gespür für herannahende Feste... Der November erreicht seine Mitte und in der Mariahilfer Straße weihnachtet es schon sehr. Zu sehr, wie uns scheint. Denn wir glauben zwar nicht, daß es einer Versammlung empfindsamer Geister jemals gelingen würde, die Handelstreibenden unseres Jahrhunderts zu überzeugen, daß sich eins nicht für alle und Weihnachtssymbole nicht für die Auslagen einer noch so renommierten Wäschefirma schicken — aber träumen wollen wir doch wenigstens davon, daß auch in der Mariahilfer Straße Weihnachten nicht gerade schon mit Allerseelen beginnt...

FÜNFUNDZWANZIG Industrielle setzten sich in Anwesenheit des Bundespräsidenten zusammen und beschlossen, die finanziellen und geistigen Kräfte der Industrie zusammenzufassen, um kulturelle Aufgaben zu fördern. Dieser „Kulturkreis der Industrie“ will Kunstwerke vor dem Verfall schützen, junge Künstler durch Aufträge unterstützen, gute Ausstellungen veranstalten und verlegerischen Unternehmen unter die Achseln greifen. Solches geschah in: Westdeutschland. Solches ist aber auch in Österreich geschehen, wo sich die Industriellen eines Tages, zwar nicht in Anwesenheit des Bundespräsidenten, zusammensetzten, um Preise in der Höhe von 60.000 Schilling für Werke lebender Künstler zu vergeben. Das ereignete sich sogar schon im Jahr 1950. Und sollte künftighin, wie feierlich versprochen wurde, jährlich wiederholt werden. Nun ja, die Zeit schreitet über mancherlei hinweg, und wir wissen natürlich nicht, was mit dem westdeutsehen „Kulturkreispreis“ im nächsten Jahr geschehen wird: der hiesige Industrie-Kulturpreis jedenfalls wurde ein einziges Mal feierlich verliehen; das Jahr 1951 geht zur Neige und man hat von ihm nichts mehr gehört. Aber noch fehlen einige Wochen bis zum Jahresschluß. Laßt uns also hoffen.

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EINE eindeutige Haltung der deutschen Bundesregierung gegenüber jenen Filmkünstlern, die zwischen Ost und West pendeln, forderte kürzlich der Vorsitzende des Bundestagsfilmausschusses. Hiezu erfährt das Fachorgan der deutschen Filmwirtschaft „Filmblätter“, daß Bonn von den westwärts wandernden „Ostkünstlern“ drei Bedingungen verlangt haben soll: eine öffentliche Stellungnahme gegen das kommunistische System in einer der meist gelesenen Zeitungen Westdeutschlands, eine Verpflichtung, nie wieder bei der DEFA Filme zu drehen, und die Zusage, baldmöglichst an einem antikommunistischen Film mitzuwirken. Während Wolfgang Staudte nicht unterschrieben hat, soll Georg Jacoby sie bereits (auch bezüglich seiner Ost-Wiener Nova-Produktion am Rosenhügel) unterzeichnet haben. Georg Jacoby, der Gatte Marika Rökks, hat bekanntlich im Rahmen der „Ost-Wiener“ Produktion am Rosenhügel die letzten Farbfilme, zum Teil mit Marika Rökk, gedreht — eine Zweckinteressengemeinschaft, die bei allen Kennern der politischen Vergangenheit des Ehepaares Jacoby immer schon Schmunzeln ausgelöst hat. Nun, da die Rosen am Hügel verblüht sind, versteht man auch die heftigen Attacken, die in der letzten Zeit von kommunistischer Seite gegen die „Hollywoodmanier“ der Ost-Wiener Farbfilmproduktion geritten wurden ...

UND noch ein Filmvorfall voll politischer Pikanterie wird aus der deutschen Presse bekannt. Jan Kiepura wurde auf einem Berliner Besuch am 30. Oktober d. J. von einem DEFA-Abgesandten aufgesucht, der ihm volle Kompensation für die einstigen polnischen Besitztümer Kiepuras anbot, falls sich der Künstler für mindestens drei DEFA-Filme zur Verfügung stellen würde. Kiepura hatte seinerzeit ein großes Warschauer Hotel für 800.000 Dollar erworben, das die Nationalsozialisten 1939 beschlagnahmten Das Hotel wurde später von den Russen besetzt und dann der kommunistischen Regierung Polens übergeben. Zur Zeit des Kriegsbeginns 1939 wurde das Hotel auf 2 Millionen Dollar geschätzt. Mit anderen Investitionen belief sich Kiepuras Vermögen in Polen auf rund 3 Millionen Dollar. Das DEFA-Angebot sah zwar eine Bezahlung in Dollar nicht vor, dafür aber in Exportkohle, die dann im Ausland in Dollarwährung konvertiert werden sollte. Kiepura, dem solcherart richtig „eingeheizt“ werden sollte, lehnte das Anerbieten, obwohl es ihm eine runde Dollarmillion eingebracht hätte, ab.

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