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Kein verkanntes Genie

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DAS KLEINE BEETHOVEN-BUCH. Von Bernhard Paumgartner. Residenz-Verlag, Salzburg. 144 Seiten. Mit zahlreichen Abbildungen. Preis S 98.—

Wer des ewigen Jammerns über das von der Gesellschaft verkannte, erniedrigte und beleidigte Genie müde ist, der mag sich an der Gestalt und am Schicksal Beethovens aufrichten. Mit 22 Jahren, im November 1792, war Beethoven nach Wien übersiedelt und blieb bis zum Ende seines Lebens in dieser Stadt. Der Eigenwillige, genialisch Schwierige mit den rüden Umgangsformen wurde von den Wiener Musikliebhabern, besonders von einer ganzen Reihe adeliger Familien, sofort als Genie erkannt, bereitwillig in ihre Kreise aufgenommen, nach Gebühr gewürdigt — und auch bezahlt. Bereits fünf Jahre nach seiner Ankunft kann Beethoven nach Bonn berichten: „Mir geht's gut, und ich kann sagen, immer besser!“ Und 1801 schreibt er an Wegeier: „Seit vorigem Jahr hat mir Lichnowsky, der immer mein wärmster Freund war, eine sichere Summe von 600 Gulden ausgeworfen... Meine Kompositionen tragen mir viel ein, und ich kann sagen, daß ich mehr Bestellungen habe, als fast möglich ist, daß ich befriedigen kann. Auch habe ich auf jede Sache sechs, sieben Verleger und noch mehr, wenn ich mir's angelegen lassen sein will: man akkor-diert nicht mehr mit mir, ich fordere und man zahlt.“ Weiter lesen wir in dem Büchlein Bernhard Paumgart-ners, daß 1809 Erzherzog Rudolph, Fürst Lobkowiitz und Graf Kinsky Beethoven in einem Vertrag eine Jahres-Ehrengabe von 4000 Gulden zugesichert haben. Aber es blieb ein Steckenpferd Beethovens, über die Knappheit seiner Verhältnisse zu klagen. „Miser et pauper sum“, schreibt er einmal. Aber in seinem Nachlaß fanden sich 9000 Gulden in bar — eine für damalige Verhältnisse recht stattliche Summe. Wenn man allein bedenkt, was der häufige Wechsel der Wohnungen gekostet hat, deren Beethoven oft zwei, zuweilen sogar drei gleichzeitig innehatte und bezahlen mußte... Doch das Biographasche ist für Paumgartner lediglich der Rahmen, um Beethovens Schaffen zu erläutern und zu würdigen. Dabei nimmt der Mozart-Spezialist oft Bezug und Maß an seinem Idol, ohne das Genie Beethovens zu verkleinern. Beethovens Lebensgewohnheiten und Eigenheiten werden anschaulich geschildert: Daß er nur am Vormittag produktiv war und Arbeit am Nachmittag nicht schätzte, daß er sich wenn irgend möglich pünktlich um 10 Uhr zu Bett begab, daß er überaus mäßig im Essen und Trinken war, wobei er klares Quellwasser bevorzugte, gerne auch ein Bier trank, vom Wein aber nichts verstand. Der Autor erinnert an Beethovens Natur- und Tierliebe ebenso wie an sein in den verschiedenen Epochen des Lebens stark sich veränderndes Äußeres. „Ich bin elektrischer Natur“, sagte Beethoven einmal von sich. Das ist ein erhellender Ausspruch, und für solche Details ist der Leser dankbar. Hingegen ist er gegenüber dem Klischee gerade im Beethoven-Jahr besonders empfindlich. Es mag ja stimmen, wie es Paumgartner schildert, erinnert aber allzusehr an ein bekanntes, sehr literarisches Beethoven-Gemälde in öl: „Und was sind die Skizzenbücher, die uns zu andächtiger Verehrung hinterbliebenen Schauplätze jener Kämpfe, gegen die Unfaßbarkeit des wirklichen Kampfes, in dem der Heros der Musik seine Musik dem Engel abrang, wenn er taub und brüllend, in Sturm und Regen um die Wiener Basteien rannte?“ Wer Paumgartner nicht kennt, mag leicht die souveräne Stoffbeherrschung mit Routine verwechseln.

Aber es handelt sich um die erstere, die auch diesem Werk des großen alten Mannes der österreichischen Musik das Gepräge gibt. Das schmuck ausgestattete Büchlein ist reich illustriert: mit vielen zeitgenössischen Bildern Beethovens, seiner Freunde und Gönner, mit Handschriftproben und zum Teil farbigen Photographien der Beethoven-Gedenkstätten. Ein schönes Geschenk im Jubiläumsjahr. In der gleichen Reihe sind erschienen: „Das kleine Mozart-Buch“ von Geza Rech sowie die Monographien Bruckners von Josef Lassl, Schuberts von Elisabeth Pable, Haydns von Robbins Landon und „Das kleine Wagner-Buch“ von Gregor-Dellin. Ein kleines Richard-Strauss-Buch ist in Vorbereitung.

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