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Minderbegabt - für Gott?

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Lahme gehen zu Gott. Von Michael Horatczuk SJ. Verlag Herold, Wien-München. 140 Seiten. Pr'is: Leinen 3 8 S, broschiert 24 S

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Lahme gehen zu Gott. Von Michael Horatczuk SJ. Verlag Herold, Wien-München. 140 Seiten. Pr'is: Leinen 3 8 S, broschiert 24 S

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Ein fröhlicher Trompetenstoß in einen schwarzverhangenen Tag: das war des Jesuitenpaters Horatczuk Erstlingswerk: „Hier lacht der Aszet.“ Der grauere Tag, die mildere Trostmusik: das ist des Autors zweiter Streich: „Lahme gehen zu Gott.“

Der grauere Tag: Es geht hier nicht mehr um eine Aufhellung der Cvon uns selbst) verdüsterten anspruchsvollen geistlichen Uebung, sondern um den täglichen, steinigen Weg der Halben, Ungenügenden und Versagenden zu Gott (auch ein Schritt vor und zwei zurück können zu Ihm führen). Die mildere Musik: Die herausfordernde Tarn- und Narrenklingel des ersten Buches (mit ein Teil seines starken

Erfolges) scheint bewußt abgestreift; die Sprache ist, ohne die Frische und Leuchtkraft des „Lachenden Aszeten“ verloren zu haben, sanfter, eindringlicher, disziplinierter Geblieben sind die fröhliche Weisheit, der Trost, die Stoßkraft der forcierten Umgangssprache und der einprägsamen Bilder und Vergleiche.

„Sinnlichkeit ist nicht Liebe, sie tut nur so“, heißt es an einer Stelle. Oder: „Spielen ist gut, nur spielen ist schlecht.“ Dabei hat man nie den Eindruck des Gesuchten, des „Literarischen“, des

geflügelten Wortes, sondern immer eher den eines Glückstreffers: des offenen Herzens, des blanken Auges und des gewachsenen Schnabels. Ein Ausdruck etwa, wie „seelische Darmverwicklung“, ist würdig, ins Grimmsche Wörterbuch einzugehen! Auch die wie unabsichtlich eingestreute „Literatur“ — von den Evangelien bis Nestroy — klingt aus dem Munde des Autors — selbst eines „Geistlichen Nestroys“! — irgendwie umgänglich, heimelig, im guten Sinn alltäglich. Das alles ist selbstverständlich, so improvisiert es auf den ersten Blick erscheint, überaus gescheit und gekonnt: es ist frei, nicht schlampig; salopp, aber nicht formlos; es hat Gesicht, es hat Stil.

Die „Lahmen“, denen die ganze Liebe des Autors gehört, sind die Haltlosen, die Mutlosen, die Verspielten, die Ich-Verkrampften, die Komplizierten, Einfachen und Simplen (eine scharfe Unterscheidung!), die „Rechtwinkeligen“, die „Osterhasen“, die Gefühlsseligen und ewig Mißtrauischen, die Sinnlichen und die Erfolglosen: wahrhaftig, eine endlos humpelnde, stelzende Lourdesprozession von (geistig und seelisch) Verkrüppelten und Verbogenen,

die mit ihren Anlagen und Leidenschaften, Anläufen und Mißerfolgen hadern, ringen und nicht selten an ihnen verzweifeln; an der Aussichtslosigkeit des ungleichen Kampfes und nicht selten, „verdrossen und zornig“, an den unerreichbaren Vorbildern, den Heiligen, die wir selbst ihnen im großen Unver-stehen der Gnade als geborene Prachtexemplare hingestellt haben.

Ihnen allen wird Trost und Heil: Wahre Heiligkeit wird nie nach äußeren Erfolgen bemessen („auch der seelsorgliche Erfolg unseres Herrn war gering“!). Gewogen wird die Treue, ganz gleich, ob über vieles oder über weniges: nicht das Pfund, sondern die Verwaltung. Gewogen wird das Streben, das Bemühen mit den eigenen, bescheidenen, gehemmten Kräften. Sie alle aber können und müssen zu Gott gehen: so gut es eben gelingt!

Denn das ist der tiefere Sinn dieses „Heiligkeitsstrebens der Minderbegabten“:

„Eigentlich gehen die Lahmen nicht, sie kriechen. Aber sie gingen gerne und versuchen es ehrlich: und darauf kommt es an.“

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