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Routine, Bravour

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Nach seinem Unfall hat sich der Dirigent Carlo Zecchi kein besonders schwieriges Programm für seinen Abend im Konzerthaus zugemutet: Haydns D-Dur-Symphonie (Nr. 96) wurde von den Symphonikern etwas bieder vorexerziert. Im Holz sogar fahl und trocken, was indes auch auf die bereits montierten, die Klangfrische beeinträchtigenden Dekorationen für Leonard Bernsteins Konzert zurückzuführen sein konnte. Schumanns „Dritte“ (Es-Dur) geriet kontrastreich. Zecchi feuerte das Orchester immer wieder mit impulsiven, weit ausladenden Gebärden an, ließ das Blech besonders im ersten und vierten Satz grell aufblitzen und die Streicher sinnlich aufglänzen. Ciaire Bernard debütierte mit Mozarts D-Dur-Violinkonzert (KV 218): die sehr streng aussehende junge Dame geigte denn auch das Werk mit übertriebenem Ernst. Sie verfügt zwar über eine sichere Bogenführung, aber der Ton wirkt stellenweise so scharf und wenig nuanciert, daß man sich der tänzerischen Melodik nicht recht freuen kann.

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Einen der amüsantesten Abende mit alter Musik bescherte die Jeunesse mit dem Musica-Antiqua-Konzert „Landsknecht-, Jagd- und Studentenlieder“ im Brahms-Saal: Bernhard Michaelis verfügt über das richtige lyrische Tenormaterial, diese bald sanften Weisen, bald vom Text her unerhört aggressiven Schlager von Anno 1600 mit entsprechender Brillanz, mit perfekt sitzenden Pointen vorzutragen. Seine geschmeidige und fast samtig timbrierte Stimme ist kultiviert geführt, blüht in balladenartigen Nummern wie Clemens non Papas „Wer war es, der den Lorbeer brach“ üppig auf, verströmt in voller Schönheit in den besonders kantablen Nummern wie Scholtzes „Blaustrumpflied“ oder Melchior Francks „Ein Mägdlein jung“. Und mit welch intimem Witz er im „Heidelberger Faß“ oder gar in „Nasen“ aufzutrumpfen weiß, wie er da blankgescheuerte musikalische

Scherze auffunkeln läßt, macht ihm nicht so schnell einer nach. Das Ensemble Musica Antiqua unter Bernhard Klebet musizierte mit klanglicher Eleganz, Einfühlung, machte jede der Nummern sozusagen zu einem kleinen musikalischen Sketch: Gerade in diesen schwierigen Bravournummern merkte man, wie sehr die Musica Antiqua im vergangenen Jahr durch intensive Arbeit an neuen Programmen dazu-gewonnen, wie sehr sie sich von technischen Problemen freigespielt hat. Das Publikum jubelte begeistert und dachte erst nach drei Zugaben ans Heimgehen.

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Besondere Aktivität herrscht im Amerikahaus am Friedrich-Schmidt-Platz, wo (bis 13. April) Lee Hoibys Operneinakter „The Scarf“ als Produktion des American Opera Workshop zu sehen ist. Hoiby, 1926 in Madison (USA) geboren, war Schüler Milhauds und vor allem Gian-Oarlo Menottis, bei dem er speziell das Arrangement melodischer Einfälle gelernt zu haben scheint.

Seine Oper — 1958 in Spoleto uraufgeführt und anschließend in die New York City Center Opera übernommen — quillt sozusagen über von Kantabilität, liebenswürdiger harmonischer Weichzeichnung, der typischen Art, wie Menotti Rhythmen kombiniert. Es ist eine Hexengeschichte nach Tschechow: eine jung verheiratete Frau versucht in stürmischen Winternächten Verirrte in ihrem Haus zu betören, mit seltsamen Liedern in tiefen Schlaf zu versetzen.

Zoltan Pataky hat eine nach zwei Seiten offene Bühne in Raummitte geschaffen, läßt das neoveristische Spiel mit knisternder Spannung ablaufen. Maurine Walton, Lawrence Bennett und Walker Wyatt gestalteten die Partien mit viel persönlichem Engagement Charles Ketcham sorgte für die musikalische Realisierung, Judith Gosh assistierte am Klavier.

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