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Von einem sterbenden Schwan

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In der seligen Lubitsch- oder Pommer-Filmoperette ist es noch möglich gewesen, daß Fürsten oder Stubenkätzchen bei der Arbeit, also beim Regieren oder Fensterputzen, plötzlich in heftigen Gesang, bisweilen auch in rhythmische Gliederspiele ausbrächen. Das Publikum lachte seltsamerweise nicht und zischte nicht, sondern sang und' tanzte mit. Das ist nun freilich schon an die 23 Jahre her. Seither sind wir nüchterner, illusionsärmer geworden, ertragen die alte Oper und Operette nicht mehr und empfinden, besonders in der eigentümlichen Realität des Films, die singenden Gangster und tanzenden Sünderinnen •— auch an diesen neuen Heldeflklischees ist die Wandlung mit Händen zu greifen! — als Stilbruch.

Singe, wem Gesang gegeben ... Dieser Zeit und ihren Menschen, diesem unseren Film ist er nicht gegeben. Der neue deutsche Film „D a s Land des Lächeln s“, eine großgestige V#rfilmung nach Lehär, hat das von Anfang an gespürt und gleich im Libretto den Feldmarschalleutnant in einen Konservatoriumsdirektor, seine Tochter in eine Berufssängerin und den asiatischen Prinzen und Diplomaten in einen Liebhabertenor verwandelt. Achtung, Aufnahme, los: nun dürfen sie, nun müssen sie ja singen! Muß das so sein? Ist es nicht ein Armutszeugnis für die Kraft der Verzauberung des Spiels, wenn sie solche Zugeständnisse an die Wirklichkeit macht? Lehärs Operette ging mühelos als Sieger über die Bretter: ein paar Schminkstriche auf Taubers Augenbrauen, ein Apfelbäumchen aus rosa Macht?, dazu freilich Lchars raffinierter Bogenstrich von Pola über Prag und Penzing nach Peking ■— fertig war die Zauberei, wenigstens äußerlich (wie's da drinn“ aussieht, geht schließlich niemand was an). Und der Film? Er spielt sein Trumpfas aus: Originalaußenaufnahmen in Agfa und Gevaert, Pagoden und Aufzüge, blutrote Drachensegel im schmutzig-braunen Wasser, ajles echt, alles aus Siaffi, kein Papier, kein Stroh. Der Effekt aber kehrt sich ins Gegenteil. Nur die Solonummern und Duett schlagen ein! Rings um sie ächzt und knarrt die — illusionslose — Illüsionsmasehinerie.

Jan Kiepura ist noch immer hörefls-, Martha Eggerth sehenswert. Kiepuras klirrendes Naturburschenorgan ist gezähmter, kultivierter gewor den, wenngleich die Stimme durch Raubbau stark verbraucht und auffallend oft ins Flageolett zu. flüchten gezwungen schien. Leider steht die schwache Besetzung des Buffo-Paares tief im Schatten großer Bühftenvorbilder, besonders Karin Dassels Prinzessin Mi entbehrt alles exotischen Schmelzes der unvergeßlichen Miniatur-Butterfly Hella Kürthys. Die musikalische Leitung und Bearbeitung (Alois Melichar, Berliner Philharmo niker) ist tadellos gekonnt, mehr nicht.

Im ganzen: ein Film von Aufwand und Routine, sehens- und hörenswert, aber beladen mit aller Problematik der Operette in der Zeit, vielleicht der ganzen „darstellenden“ Musik. Aber, während die Oper allerorten schon zu neuen Wegen drängt, scheint die Operette, ganz gleich; ob der Bühne oder des Films, langsam aber sicher zugleich mit allem Glanz und Gloria ihrer Gesellschaftsepoche, mit diesem saturierten Land des Lächelns unterzugehen.

Denn der Kongreß tanzt nicht mehr, sondern tagt in Permanenz mit Sprech- und Uebersetzungs maschinen in einem Wolkenkratzer von Manhattan. Und das goldene Zeitalter der Filmoperette ist eine Sage geworden, aus der es, nur wenigen mehr Vernehmbar, immer dünner, leiser und wehJ mutiger tönt: „Das gibt's nur einmal, das kommt nicht wieder ...“

Filmschau '(Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich); Nr. 38/111 vom 7. Oktober 1953: III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Paula“, „Der Teufel der weißen Befge“, „Das Geheimnis der Indianerin“, „Das Land des Lächelns“ — IV (Für Erwachsene): „Im Banne des Teufels“, „Kalifornien in Flammen“.

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