Terézia Mora  - © Foto: picturedesk.com / dpa / Frank Rumpenhorst

„Wie wenig doch jeder von uns besitzt“

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Terézia Mora hat mit „Auf dem Seil“ den letzten Band ihrer Roman-Trilogie vorgelegt. Darin kehrt der Protagonist nach langer Reise wieder in seine Heimatstadt Berlin zurück.

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Terézia Mora hat mit „Auf dem Seil“ den letzten Band ihrer Roman-Trilogie vorgelegt. Darin kehrt der Protagonist nach langer Reise wieder in seine Heimatstadt Berlin zurück.

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Das Prädikat „preisgekrönt“ trifft im wahrsten Sinn des Wortes auf sie zu. Denn die 1971 geborene gebürtige Ungarin Terézia Mora hat wohl schon alle wichtigen Literaturpreise im deutschsprachigen Raum eingeheimst. Darunter den Ingeborg-Bachmann-Preis (1999), den Deutschen Buchpreis (2013) und im letzten Jahr sogar den Georg-Büchner-Preis, die hierzulande wohl bedeutendste literarische Auszeichnung. Mittlerweile gilt Mora als eine der markantesten deutschsprachigen Gegenwartsautorinnen. Man bescheinigt ihr etwa in der Begründung der Jury zum BüchnerPreis, in ihren Werken „schmerzlich den Nerv der Zeit“ zu treffen. Im Zentrum ihrer Werke stünden „Außenseiter“ in prekären Verhältnissen, heimatlos und „auf der Suche“, sprachlich ein Amalgam von „Alltagsidiom und Poesie“.

Auf dem Vulkan

Die milieugetreue Zeichnung eines im 21. Jahrhundert angesiedelten „Großstadtnomaden“ – dieses Attribut wird ihren Charakteren häufig zugeschrieben – trifft wohl besonders auf den Helden der Trilogie zu, die Mora um den IT-Spezialisten Darius Kopp entwickelt hat. Schon seit circa zehn Jahren arbeitet sie an ihr. Nach dem Erscheinen des ersten Bandes „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ heißt es, dass sie mit ihrer krisengebeutelten Hauptfigur einen ganz und gar „zeitgemäßen“ Menschen mit Höhen und Tiefen in einem modernen beruflichen Umfeld entworfen habe. Vier Jahre später ist der zweite Teil „Das Ungeheuer“ sogar mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden. Kopp verlässt Berlin und geht auf Reisen, irgendwann mit der Urne seiner Frau Flora im Gepäck. Aufgrund persönlicher Rückschläge ist er an einem emotionalen Tiefpunkt angelangt. Nun liegt der dritte Band mit dem Titel „Auf dem Seil“ vor, der den Abschluss dieser Trilogie bildet. Darius Kopp befindet sich auf Sizilien. Für eine neuerliche Bestandsaufnahme ist es noch zu früh. Erst in Berlin nimmt er sie in Angriff. Der dritte Teil beginnt mit einem Prolog und dem scheinbaren Angekommen-Sein des Protagonisten: „Ich kann nicht anders, als glücklich zu sein.“ Ein nahezu bukolisches Bild begleitet dieses Glücksempfinden, das ihn offensichtlich in einem sizilianischen Garten durchströmt. Und doch ist alles nur eine Laune des Augenblicks, denn Glück hat sich in Darius’ Leben nicht wirklich breitgemacht. Zunächst wohnt er noch bei Gabriella. Er arbeitet für sie, aber er fährt auch Touristen auf den Ätna. Auf dem Vulkan hat er endlich eine adäquate Stelle gefunden, um die Asche seiner Frau zu verstreuen und einen Teil seiner Vergangenheit hinter sich zu lassen. Damals hat er Francesco kennengelernt, der ihn mit Gabriella bekannt gemacht hat. Seit seinem Aufbruch von Berlin hat er den Kontakt zu seiner Familie vollständig abgebrochen. Schließlich kommt es, dass er eines Tages seine Schwester auf dem Ätna trifft. Völlig unerwartet. Sie ist genauso erstaunt wie er. Es gelingt ihm, sich ihr und ihren Fragen zu entziehen. Doch die Familie holt ihn trotzdem bald wieder ein, als seine noch minderjährige Nichte Lorelei ohne Vorankündigung vor der Tür steht und ein paar Tage bei ihm bleiben möchte. Mittlerweile verdient er sich in einer Pizzeria seinen Lebensunterhalt. Seinen Schlafplatz hat er in der Wohnung eines ausgewanderten Deutschen, den er einmal zufällig am Strand getroffen hat. Mit Lorelei bekommt sein Leben jedoch unerwartet eine andere Dynamik, weil er Verantwortung übernehmen muss, ohne es zunächst zu wollen. Lorelei steckt in Schwierigkeiten und braucht seine Unterstützung. Schließlich reist er mit ihr nach Berlin zurück. Mit nichts – außer mit ein wenig Bargeld. Ohne Job, ohne Wohnung und auch ohne konkretes Ziel findet er sich auf dem Berliner Alexanderplatz resümierend wieder: „Drei Jahre. Nur drei. Nichts Wesentliches hat sich verändert. Die Stadt ist nicht untergegangen und ist auch nicht zu einem neuen Utopia aufgeblüht, es ist alles, wie es war, bekannt und unbekannt.“

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