Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Wonnen des Abwaschens
Ich darf noch abtrocknen. Nicht meine Tränen, die für einen Mann der „alten Schule” ohnedies undenkbar wären, sondern das Geschirr. Ich bin zwar im Reruf genauso pragmatisiert wie zu Hause unkündbar, doch wurde ich zwischen den eigenen vier (Küchen-)Wänden schlicht und einfach degradiert.
Als echter Quereinsteiger begann ich ziemlich oben; ich durfte am Anfang meiner Ehe sogar abwaschen. Andere, bedeutend gescheitere Männer als ich, pflegen in solchen Situationen das teuerste Geschirr samt Schwiegermutters porzellanenem Hochzeitsgeschenk zu zerbrechen. Ich war - zugegebenermaßen - nie so phantasievoll, bei mir reichte es, da ich intellektuell heillos überfordert war, nur zur falschen Dosierung des Spülmittels. Ich nahm, in bester Absicht, ein bißchen zuviel aus dem „international getesteten”, angeblichen Wundermittel und so badete das gesamte Geschirr, samt der halben Küche, in einer einzigen Schaumwolke.
Reim Anblick dieser Schaum-Schlacht fiel Helga, meine nicht nur in der Küche bessere Hälfte, zwar weder in Ohnmacht noch über mich her, sie rutschte auch - gottlob - in der schaumnassen Küche nicht aus, sondern hielt nur eine ihrer berühmten und stets wohlgeratenen Heim-Un-terrichts(viertel)-Stunden: „Du denkst weder an das Geld noch an die Umwelt ...l”
Sie hatte, wie immer, recht: Ich dachte nur an das Verlassen der Küche; Richtung Bibliothek, wo ich die „Schaum-Schlägerei”, wenn auch im übertragenen Sinne, sofort fortsetzen konnte.
Helgas (Küchen-)Note, die liebste Ehefrau der Welt ist nämlich Pädagogin, fiel nicht sonderlich gut aus: Ich erhielt zwar kein Küchenverbot, wurde jedoch zum „Abtrockner” degradiert. Meinem Wunsch, zumindest den Titel eines „Ersten Abtrockners” und nicht nur die Schürze tragen zu dürfen, wurde gnadenhalber zugestimmt. Noch dazu gibt es bei uns keinen zweiten, geschweige denn einen weiteren Abtrockner.
Mit meiner stark gebremsten Küchen-Karriere stehe ich so ziemlich einsam da. Mein Freund Mike, im Nebenberuf Chef einer großen Immobilienfirma und im Hauptberuf „Küchen-Gewaltiger”, darf nicht nur alleinverantwortlich abwaschen, sondern sogar leckere Vorspeisen herstellen. Als neidischer Mensch stehe ich, leicht schluchzend - maskuline Tränen, wie bereits gesagt, gibt es für mich nicht-, in seiner hochmodernen Küche und frage ihn hinterlistig: „Düfte ich bei Dir abwaschen ...?”
Mike, der zu den bestinformierten Männern in Wien zählt, kennt leider meine unrühmliche Vergangenheit: „Nein, mein Freund, hier nicht... soviel Geschirrspülmittel haben wir nämlich nicht...!”
Gesenkten Hauptes und geschirrtuchlos verlasse ich seine kulinarische AVirkungsstätte und blicke - ganz ohne Zorn, doch voll Wehmut - auf Mikes Küche, wo er genüßlich schaltet und waltet und ostentativ abzuwaschen beginnt, zurück.
Evelin, seine gutherzige Frau, will mich mit ihrem köstlichen Nachtisch trösten, doch was sind schon die herrlichen Kuchen und Cremes im Vergleich zu den Wonnen eines mannhaft-waghalsigen Geschirrabwaschens ...
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!