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Von Bach zu Mahler
Die abgelaufene Konzertwoche stand im Zeichen zweier junger Dirigenten: Im Großen Musikvereinssaal leitete Günther Theuring die Aufführung der Bach-schen Matthäuspassion. Nach der Bachinterpretation Karl Richters konnte man nun gespannt Theurings Passionsdeutung entgegensehen. Um es kurz zu sagen: die Unterschiede der beiden Auffassungen waren bedeutend. Theurings Interpretation war wesentlich lyrischer, ja romantischer als die der Johannespassion durch Karl Richter. Wenn auch die Konzeption der Matthäuspassion zweifellos dem romantischen Dirigenten entgegenkommt, so wäre doch zu bedenken, daß Johann Sebastian Bach seine Passionswerke nach dramatischen, dramaturgischen Gesichtspunkten aufgebaut hat, wovon
auch Albert Schweitzer in seinem Bach-Buch spricht.
Immerhin bot Theuring eine saubere, vorzüglich einstudierte Aufführung, deren Hauptlast der Wiener Jeunesse-Chor trug, dem die längere Ruhepause
hörbar gut getan hat. Das Tonkünstlerorchester begleitete aufmerksam.
Das Solistenetnsemble glänzte vor allem durch große Namen, war aber sonst nicht sehr ausgeglichen. Die weitaus beste, ausdrucksvollste Leistung bot Hildegard Rössel-Majdan in der Gestaltung der Alt-Partien.
Hermann P r e y sang einen ausdrucksvollen Jesus, Wilma Lipps Sopran klang in der Höhe etwas überfordert. Die uneinheitlichste Leistung bot Murray D i c k i e als Evangelist, dessen Tenor stellenweise deutlich Zeichen von Uberanstrengung merken ließ.
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Im Großen Konzerthaussaal kam Gustav M a h 1 e r s Symphonie Nr. 2, c-moll, zur Aufführung, Als Dirigent konnte Reinhard Peters sein Wiener Fast-Debüt feiern. Peters fiel bereits 195$ als musikalischer Leiter einer Ballettstagione in der Volksoper auf, war jedoch erstmals im Schubert-Mahler-Bruckner-Zyklus der Konzerthausgesellschaft auf dem Podium zu sehen. Er stellte sich mit diesem Konzert als ganz hervorragender und erstklassiger 'Munt vor,' als Mann der'Leistung, ohne' Äußerlichkeiten. Diesen Eigenschaften fügten sich auch willig die Wiener Symphoniker, die eine ganz ausgezeichnete Leistung boten. Mahlers „Auferstehungs-symphonie“, wie sie auch genannt wird, erfuhr durch Peters eine Wiedergabe, die wohl authentisch sein dürfte. Ausgezeichnet die Altistin Luise Parker, unter technischen Mängeln leidend Martina A r r o y o, deren Sopran sich immerhin im Finale siegreich durchsetzen konnte. Ein Sonderlob auch dem von Gottfried Preinfalk mit bewährter Sorgfalt einstudierten Wiener Rundfunkchor.
Die Wiener Konzerthausgesellschaft hat sich durch die Aufführung von Mahlers Symphonien ein echtes Verdienst erworben, trug sie doch dazu bei, das noch viel zu wenig gewürdigte Werk des großen Österreichers vor dem unverdienten Vergessen zu bewahren und das konservative Wiener Konzertpublikum mit Werken vertraut zu machen, die eigentlich schon längst in unseren Konzertsälen heimisch geworden sein müßten. Hoffen wir nun auch auf die seltener gespielten (reinen Instrumental-) Symphonien des Meisters.
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