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Florentiner Melange

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Ohne daß ein besonderer Jahrestag oder ein außergewöhnlicher Anlaß zur Feierlichkeit angeregt hätte, schien sich der diesjährige 32ste Florentiner „Maggio Musicale“ in besonders ungewöhnlicher Weise manifestieren zu wollen. Bei Durchsicht seines Programms war man geradezu versucht, den Plan als musikalisch „magenverderbend“ zu bezeichnen: er schien ein Übermaß des Musikgenusses innerhalb eines einzigen Monates zu bedeuten. Es erweist sich als kaum möglich, auch nur auf einen größeren Teil des Gebotenen gewissenhaft einzugehen: Festspiele haben sich überall in einer Weise entwickelt, daß zwischen Juni und September in allen Landen ausgiebig gesungen, gestrichen, geblasen und gezupft und natürlich möglichst viel an verkauften Billets einkassiert werden soll. Und dies gilt, wie überall sonst, auch für Florenz.

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Ohne daß ein besonderer Jahrestag oder ein außergewöhnlicher Anlaß zur Feierlichkeit angeregt hätte, schien sich der diesjährige 32ste Florentiner „Maggio Musicale“ in besonders ungewöhnlicher Weise manifestieren zu wollen. Bei Durchsicht seines Programms war man geradezu versucht, den Plan als musikalisch „magenverderbend“ zu bezeichnen: er schien ein Übermaß des Musikgenusses innerhalb eines einzigen Monates zu bedeuten. Es erweist sich als kaum möglich, auch nur auf einen größeren Teil des Gebotenen gewissenhaft einzugehen: Festspiele haben sich überall in einer Weise entwickelt, daß zwischen Juni und September in allen Landen ausgiebig gesungen, gestrichen, geblasen und gezupft und natürlich möglichst viel an verkauften Billets einkassiert werden soll. Und dies gilt, wie überall sonst, auch für Florenz.

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Der Eröffnung de^ Festes ging hier eine öffentliche Mahnung voraus: man wolle sich für diese Gelegenheit keine großen Toiletten vorbereiten, da die allgemeine magere finanzielle Lage von Land und Leuten luxuriöse Extravaganzen gar nicht statthaft erscheinen ließe. Dennoch kam es am ersten festlichen Abend zu einer großen Schau luxuriöser Damengarderoben „Mini, Midi und Maxi“, Brokat und wallende Locken belebten das Theater, Haut, Haar und Hosen schienen das Motto. Auch die Männerwelt, die heutzutage ihren Friseuren so reichlich zu verdienen gibt, zeigte sich mit bart- und haupthaargerahmten Gesichtern auf der Höhe der Situation.

Doch auch seiner eigentlichen Orientierung entsprechend, entwik-kelte sich der diesjährige „Maggio“ interessanter, lebendiger und lohnender, als solches seiner durchaus nicht anspruchslosen Gefolgschaft seit den Jahrzehnten seines Bestehens je geboten wurde. Zu der ersten Hälfte des Programmes zählte eine Serie, die die Bekanntschaft mit den heute führenden ausländischen Symphonieorchestern und deren ständigen Leitern vermittelte. Es erschienen aus Frankreich Pierre Boulez, der in seinem naturgemäß überwiegend französisch orientierten Programm dennoch mit Bartök den herzlichen Erfolg errang, nach ihm der Engländer Colin Davis und sein Landsmann der Pianist Clifford Cur-zon. Höhepunkt des „Maggio“-Pro-grammes wurde das Erscheinen von Eugene Ormandy mit dem Orchester von Philadelphia. Der Erfolg war geradezu überwältigend: es war im Teatro Comunale an keinem der beiden Abende auch nur ein einziger Sitz zu ergattern. Man hätte meinen sollen, daß nach dem so seltenen Genuß, wie solchen die beiden Ormändy-Programme geboten hatten, sich beim Publikum ein leises Gefühl der musikalischen Übersättigung bemerkbar machen müsse, doch siehe, der Saal blieb auch nachher Abend für Abend beinahe ausverkauft, ohne daß es irgend etwas zu hören gab, was besondere Spannung hätte motiviert erscheinen lassen.

Es gab bemerkenswerte Opernmusik französischer Herkunft, wie die „Trois Operas Minute“ des seit jeher hier hochgeschätzten Dorius Mil-haud und „La Voyante“ von Henri Sauguet, der sich auch als vorzüglicher Dirigent vorstellte. Das recht sachverständig reagierende Publikum bereitete auch den zahlreichen Ballettpremieren von Stravinsky, Poulenc, Fokine und Leontde Mas-sine mit dem Royal-Ballett aus London den freundlichsten Empfang. Enttäuschend war der Abschluß der Opernsaison mit der Lieblingsoper aller musikverständigen Italiener: Verdis „Falstaff“. Er sollte in Starbesetzung das diesjährige Fest beschließen. Doch eben die nicht ganz glückliche Besetzung, sowohl am Dirigentenpult wie auch auf der Bühne, sprachen das falstaffbegei-sterte Haus nicht nach Gebühr an; besonders nicht den immer noch zahlreichen Teil, der sich noch lebhaft an den ganz unvergeßlichen „Falstaff“ von seinerzeit unter Tos-canini erinnerte.

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