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Ambros

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Ambros steigt unter die Stufen. Bemüht sich, die Stufen mit einem Hammer festzunageln, eine davon war locker. Er hämmert, hat das Gesicht erhoben, kein Freund stört ihn, fragt ihn, woher er kommt, wohin er zu gehen beabsichtigt. Seine Freunde sind alle unter die Erde gefahren, es soll dort ein Fest sein, aber er ging nicht mit. Es ist ein feuchter Tag und von dort unten ist erst einer zurückgekommen. Er ging vorbei, warf einen Blick über den Zaun und rief, es hätte sich nicht gelohnt, außer zu Beginn. Und wegen eines Beginns unter die Erde zu fahren, lohne sich erst recht nicht, das Heraufkommen sei noch mühsamer als das Hinunterfahren. Wenn er es richtig bedenke, sei auch der Beginn, soviel rief er und entfernte sich rasch. Wenn ich es richtig bedenke, denkt Ambros. Soviel und nicht weiter. Wenn ich es richtig bedenke. Und noch einmal. Aber nie weiter. Wenn er es richtig bedenkt. Er hat drei Nägel zwischen den Zähnen und hämmert. Manmal klingt es, als schlüge er auf Erde. Auf die, von der sie reden. Oder unter der sie reden. Nach einer Weise oder nach der andern, eine ist es immer. Immer die, die er sich müht, zu verstehen, wenn er sie nicht versteht, um nicht zu verstehen, wenn er sie verstanden hat. Wie ihre Tänze. Al-

les am Rand der Gewalt. Nicht einschüchtern lassen, hat ihm“ einer gesagt, welcher nur? Der sich nicht erinnert, hat die Wahl. Der ist gut, der die Wahl hat, der li'ebt keinen mehr. Keinen mehr als den anderen, ein Gerechter. Wer sagt das von ihm? Das soll einer versuchen. Einer von den Aufrechten, mit den Lunten zwischen den Zähnen. Kommt keiner mehr vom Fest? Das müßte jetzt allmählich am Ende sein. Macht sieben mal fünf. Macht drei, dazu die Auffahrt. Die Hinauffahrt. Umsonst ist die nicht für euch, was meint ihr, wie ihr die mit Kippen beladet, unter Druck setzt, alles mögliche. Mit euren Affengewichten, he du! Ja, dich hab ich gemeint. Und dich. Dich auch. Da soll doch einer, auch noch den Überraschten spielen. Bei uns ist Feierabend, da lohnt sich heute nichts mehr. Die dachten wohl, die könnten hier sitzen bleiben. Das wären mir Denker, o ja, das sind mir welche. Und wo habt ihr den Kleinen von unlängst gelassen? Der kommt nicht wieder? Hatte wohl genug von euch, was tut er? Hämmern? Hämmern, da oben. Der ist gut, der Kleine. Der hämmert, das soll er nur. Und wenn er müde wird, wohin legt er sich dann? Ins eigene Treppenhaus unter die Stufen wie die Söhne im Märchen? Ambros möchte hinaus

aus dem Treppenhaus, dem Vorhof, dem Vorgarten, an Vater und Mutter vorbei, den andern entgegen, die stumm gemacht werden sollen. Er möchte rufen: Kommt! Kommt alle zugleich, steckt endlich eure Köpfe über den Sand, ruft mich zusammen! Das werden sie auch, sie werden kommen, er weiß es. Dieses Fest muß ein Ende haben, weil es kein Fest ist. Nur eine Marotte, in die sie sich hineinsteigern, er will es ihnen sagen. Wie Löwen und Wilde will er sie auffordern: Kommt. Laßt euch nicht seichte Stellen in eure Schreie schieben, die sind nicht von euch, ihr wißt es. Der nette Kleine mit dem Zebrahut, der bin ich nicht und der ist keiner von euch. Keine Bank da unten ist für euch gemacht. Es sind Materialbänke, Materialtische und der Wein ist auch fürs Material, Böden, Wände, Türen, Decken, Fenster und Fensterbänke. Damit das Material ins Freie schauen kann, damit sein Blick richtig zurückgeworfen wird, quer durch, das Bild nicht auf dem Kopf, auf dem es steht, das erdige Freie da unten, das vorgetäuschte Licht, die Biergärten mit den Schächten hinauf. Laßt euch nicht übertölpeln, gebt den Anspruch nicht auf, werft ihr hin, was sie will, kommt!

Hier oben ist es anders. Hier blitzt

es weiß und silbrig, hier müßt ihr eure Nägel nicht mehr aus den Zähnen nehmen, für keine Silbe mehr, die ihr nicht wollt. Hier seid ihr freigegeben, könnt Stufen hämmern, so wie ich es tue, oder sonst etwas, alles mit Nägeln. Das wird gut für euch. Der Himmel ist hier echt, nicht die gekräuselte, gescherte Wolle von da unten, laßt euch auf nichts ein, die Nägel sind auch gut und mehr sage ich nicht.

Ob die kommen? Ob sie sich nicht von den frischen Heiden da unten abhalten lassen, diesem heuchlerischem Farbengemisch, ihrer vorgetäuschten Jugend? Ob sie nicht aufgeben angesichts der Spaße, die die Schankwirte dort für sie bereithalten, der Pfennige, die für die Auffahrt verlangt werden? Das ist alles die Frage. Ambros. Und wie heißt dann der nächste? Geht es nach Noten, nach den Sechzehnteln, Vierteln, Achteln, nach dem Viererprinzip oder wonach? Wonach geht es? Ob sie ihn hämmern hören? Er möchte die erdigen Laute — längst klingt nichts

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