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Bodenreform oder Blut!

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Mit Freude verzeichnen die lateinamerikanischen Völker das Verständnis auch des neugewählten Papstes Paul VI. für ihre Sorgen. Noch nie hat die Presse der Stimme aus Rom so weit ihre Spalten geöffnet wie seit Johannes XXIII. So auch wieder anläßlich der Audienz Pauls VI. vor den Mitgliedern der Päpstlichen Kommission für Lateinamerjka und des, Latein- amerikanfščheri Bischofsräts (ČELAM, Sitz in Bogotä). „Welch"'bejammerns werteste Lage, wenn man sich vorstellt, wie in die großen Industriezentren dort Millionen Menschen flüchten, um dem Hunger zu entrinnen, und sie finden nicht einmal geistigen Beistand. Mit jammervollem Herzen erinnern wir uns an die Großstädte Sao Paulo und Rio in Brasilien, die wir vor drei Jahren besucht haben.“ Wo liegt die Lösung? Mehr Menschen für das Land odermehr Land für die Menschen?

so lange ihm drei Viertel des nationalen Territoriums gehören?

Der Laie fragt sich, ob nicht ein Großgrundbesitzer, der seine Arbeiter ausbeutet, sein Privateigentum selber enteignet. Fragt sich, ob nicht der Eigennutz hinter dem Gemeinnutz gehen muß. Wenn die Kommunisten die „Kolchosen" der Franziskaner, Augustiner und Jesuiten in den Indios-Reduktionen von Mexiko und Paraguay loben, so tun sie gut daran. Bis jetzt glaubte man, daß landwirtschaftliche Kollektivbetriebe die geniale Erfindung Lenins seien. Es ist bedauerlich, daß die Agrarfrage in Lateinamerika vom Tablett der kommunistischen Sowjetpropaganda serviert wird. Wenn ein

Kommunist predigt: Wer zwei Röcke hat, gebe dem einen, der keinen hat, so. ist diese Mahnung von vornherein verdächtig, obwohl 2000 Jahre alt und schon in der Bibel zu lesen.

Der Fluch der Monokultur

Wie soll Brasilien von seinem Fluch befreit werden? Seit Cabral den Subkontinent entdeckt hat, ist es hier so: Axt und Feuer legen das Land zur Pflanzung frei. Noch im 20. Jahrhundert werden Jahr für Jahr über 40 Millionen Kubikmeter Urwald in Asche verwandelt. Von einer „Kultur" ist keine Rede. Wie viele kennen den Pflug? Der fruchtbaren Böden — und Brasilien ist nicht reich an ihnen — hatte sich die Spekulation bemächtigt. Zuerst war es das Zuckerrohr im Nordosten, heute ein berüchtigtes Hungergebiet, dann der Kaffee im Süden. Die Monokultur ist das Verhängnis, verantwortlich für die Verarmung von Mensch und Erde. Von den 73 Millionen wohnt ein Prozent, die Pflanzer — die wahren Regenten des Landes — in Marmorpalästen und ißt aus goldenen Schüsseln. Von den 99 Prozent der 73 Millionen Bewohner haust die Mehrheit in Lehmhütten, sie essen aus Konservenbüchsen ihren Reisbrei und gehen barfuß, nicht einmal ihren Namen können sie schreiben.

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