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Das mag ich micht- so rick Zuste

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Ich gehe durch eine ostasiatische Stadt, das heißt, ich werde geschoben und gedrängt. Ich denke mir: Nie mehr werde ich zu Hause von „Menschenmassen“ reden. Was hier strömt, gestikuliert, ruft, nach Taxis winkt, Kinder wieder einfangt, sich an Eßständen drängt - haben sie wirklich alle zu essen? Ich weiß es nicht Ein Bett zum Schlafen? Ich weiß es nicht. Zukunft zum Leben? Ich weiß es nicht.

Wir sind mit der Masse etwas nobel geworden. Schon wie wir darüber reden. Und überhaupt: Wer von der Masse zu reden versteht, läßt gerne durchscheinen, daß er selber natürlich nicht dazugehöre. Und dann hatten sie uns doch die Haare auf Einheitslänge geschnitten, der Gürtel - pardon das Koppel - hatte bei jedem an der gleichen Stelle die Schließe und Tausende Füße gingen im gleichen Takt. Und jetzt wieder Masse, auch wenn’s ein Altar ist - nein danke!

Das Fernsehen macht’s einfacher: Man kann die Masse hinter einer Glasscheibe besichtigen. Sie erinnert übrigens an die Scheibe von Aquarien. Man ist dabei gewesen und hat sich doch herausgehalten. Am Anfang des Fernsehens saßen wir noch in vollgestopften Lokalen, um die ersten übertragenen Fußballspiele und Weltmeisterschaften zu sehen. Das Fernsehen hat sich bald emanzipiert. Man sieht nicht mehr in der Masse fern. Man hat schließlich selbst einen Apparat. Daß dabei aus dem Familienkreis ein Halbkreis geworden ist, ist öfter sogar recht praktisch und löst Probleme. Doch lassen wir das lieber.

Wie soll man es nun machen: Hingehen zum Katholikentag oder nicht? Eingekeilt sein. Vielleicht wird’s mir schlecht. Wer weiß, ob man überhaupt gut sehen kann. Und überhaupt!

Eines allerdings wird man sicher sehen können: das Kreuz über dem Altar. Es wird so hoch konstruiert werden, daß es jeder sicher sehen kann. Und wenn auch tausend oder mehr zugleich sterben - eine der verfluchtesten Erfindungen unserer Hirne - so stirbt doch jeder seinen Tod.

Doch eigentlich nicht mehr: Seit einem gewissen Tag in Jerusalem stirbt einer mit mir mit. Nach dem Achselzucken des Arztes und den Tränen meiner Angehörigen bleibt er da. Und sagt mir: Ich werde dich auferwecken! Mich, den ganz Bestimmten, Einmaligen, Lebenshungrigen, W undgeschlagenen.

Und denen, die daran glauben, daran glauben möchten, ist ein Geschenk in den Schoß geschüttet worden, das sie selber wohl nie hätten erfinden können: Sie feiern es, daß sie mit ihm sterben und durch ihn auferstehen - in der Messe.

Es ist hier ein ganz bestimmtes Versprechen anzuwenden: „Gebt, dann wird auch euch gegeben werden. In reichem, vollem, gehäuftem, über- fließendem Maß wird man euch beschenken; denn nach dem Maß, mit dem ihr meßt und zuteilt, wird auch euch zugeteilt werden“ (Lk 6,38). Das heißt: Wer eine kaum geliebte Masse fröhlichen Herzens erträgt, mißt mit einem guten, wenn auch zugegebenermaßen nicht allzu großen Maß. Aber ihm wird reichlich zurückgemessen werden: Gemeinschaft mit Petrus, Gemeinschaft mit der Kirche, Gemeinschaft mit Tod und Auferstehung Christi. Und das ist das Maß aller Maße.

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